Bist du HSP, also ein hochsensibler Mensch, so kennst du gewiss die alltäglichen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Aber kennst du auch all das Wunderbare, dass in dir steckt?
HSP und Oel ngati kameie
Kennst du noch Deanna Troi, die mit dem Rang eines Lieutenant Commanders, als Counselor auf der USS Enterprise-D Jean-Luc Picard mit Rat und Tat zur Seite stand? Sie, eine Empathikerin, ist ein hoch geschätztes Mitglied der Crew. Eine Frau mit viel Charisma rettet mit ihrer Empathie nicht nur das Leben der gesamten Crew, nein sie spielt auch als Therapeutin eine wichtige Rolle. Später verlor sie zwar ihre empathische Fähigkeit, blieb jedoch bis zuletzt ein feinfühliges Wesen.
Das ist Science Fiction und meine erste Assoziation zu dem heutigen Thema.
Ein anderes Bild drängt in meinen Kopf:
Avatar! Die bisher erfolgreichste Hollywoodproduktion steckt voller Phantasie und Feingefühl. Das empathische Volk der Na’vi ist über ihre Muttergottheit Eywa eng miteinander verknüpft. Sie leben in tiefem Einklang mit der Natur. Fiebernd haben wir mit ihnen gebetet, dass sie nicht ausgelöscht werden. Gerade ihre feinfühlige Art hat das Publikum fasziniert. Ja, sagten die inneren Stimmen: „Wenn wir nur fühlen würden, was verborgen scheint und sanft und liebevoll mit unserer Umwelt umgehen würden, dann könnte man so vieles heilen.“
Wie schützenswert fanden das die Reihen der staunenden Zuschauer. Wohl kaum jemand dürfte mit der RDA mitgefiebert haben, welche kalt und herzlos die Bodenschätze des Mondes Pandorra mit aller Macht gewinnen wollten.
Warum verehren die Menschen Filmhelden wie Deanna Troi oder auch das Volk der Na’vi, messen aber den besonders feinfühligen, empathischen, hochsensiblen oder auch hochsensitiven Menschen mitten unter ihnen dermaßen wenig Bedeutung bei? Im Gegenteil: Oft werden sie gar verhöhnt, belächelt oder gar nicht erst wahrgenommen.
Wie wundervoll wäre es, wenn die Menschen, die mit den Na’vis mitgefiebert haben, auch zu uns sagen würden: „Oel ngati kameie.“ – „Ich sehe Dich.“
Perlen vor die Säue
Wir leben in einer Welt, in der Gefühl und Wärme, Zerbrechlichkeit und Empfindung kaum zu Anerkennung beitragen. Was zählt sind Durchsetzungsfähigkeit, Kraft, eine coole Klarheit ohne Schnickschnack und Gedöns.
Anerkennung finden nicht die Leisen, Stillen, Zarten und empfindsam lebenden Menschen, sondern die Macher, Checker und Coolen. Hipp ist, wer stark ist. Stark ist, wer cool ist. Cool ist, wer den Ton angibt. Die Welt ist rastlos, hektisch, laut und voller Zeitpläne die es zu erfüllen gilt.
Es gibt keinen Platz für Träumereien. Die Welt hat keine Zeit, um sich auf dem Weg zur Arbeit, die zarten Blümchen am Wegesrand anzuschauen. Der Weg ist schon lange nicht mehr das Ziel. Das Ankommen ist das Ziel und das so geradlinig und schnell wie möglich. Wir leben wie die drei Affen: Nichts hören, sehen und sagen. Vorwärts!
Wir hochsensiblen, empathischen, hochsensitiven, feinfühligen sowie zarten Menschen sind für das gros der Masse nicht einmal sichtbar. Sieht man uns doch, weil wir nicht still in einer Ecke verharren, so sind wir die Spinner, Sensibelchen, Mimosen, Tagträumer, Emos, Dramaqueens. Unsere Denkmuster verlaufen nicht auf gut ausgebauten Autobahnen, welche dreispurig durch unser Gehirn verlegt wurden und wo man sich brav einfädelt. Wir denken in Schnörkeln, in geschwungenen Ornamenten und verwobenen Pfaden. Wertlos für die Welt der Macher.
Empathie und Sensibilität sind jedoch keine wertlosen Schnörkel, sondern Gaben. Sie bereichern und beflügeln. Sie öffnen Welten, die der Gemeinschaft wie auch dem Einzelnen nutzen.
Wir legen unsere besonderen Fähigkeiten der Welt zu Füßen und erfahren immer wieder, dass wir im Grunde Perlen vor die Säue werfen.
Die Welt will und braucht uns nicht und viele von uns zerbrechen daran. Sie wünschen sich anders zu sein, mehr wie die, welche uns formen möchten. Diejenigen die im Kino in ihre Taschentücher heulen, wenn der Baum der Seelen gefällt wird und schon beim Verlassen des Saales an den nächsten Termin denken und nicht sehen, dass der Mond heute besonders sanft am Abendhimmel ruht.
Wir sind was wir sind
Manche glauben, wir sind eine kleine Gruppe von verträumten Spinnern. Aber, wir sind viele! Im Grunde genommen sind wir deshalb nicht einmal etwas besonderes. Schätzungsweise zehn bis zwanzig Prozent der Menschen sind hochsensibel, einige davon hochempathisch.
Unter zehn Leute also mindestens Einer! Es wird Zeit, dass Empathie und Sensibilität ebenso anerkannt werden wie geradliniger Scharfsinn, rationales Denken oder die Fähigkeit, eine steile Karriereleiter in Höchstgeschwindigkeit zu erklimmen.
Mitnichten muss uns Hochsensiblen geholfen werden, wir sind weder krank, noch müssen wir uns ändern!
Wir dürfen es zulassen, müssen es sogar zulassen, zu sein, wie wir sind.
Wir sind ein Wunder
Für mich ist es ein Wunder, die Welt mit all ihren Facetten feinfühlig zu erleben. Viele von uns haben die Fähigkeit, in die Tiefen der Seelen zu blicken. Wir haben die Gabe, Herzen zu berühren wie nie ein Mensch zuvor. Unsere Kreativität lässt uns Kunstwerke erschaffen, die Menschen in ihrem innersten Kern erreichen. Unser anderer Blick auf die Dinge, schafft es, aus Mitmenschen Emotionen heraus zu kitzeln, die neu und unerfahren erkundet werden dürfen.
Sinnlichkeit, Tiefe, Liebe und Mitgefühl sind für uns mehr als Worte, die man geschickt in einen Urlaubsschmöker eingebunden findet. Wir leben diese Werte und noch viele mehr. Wir besitzen Eigenschaften, die unsere Welt braucht und die wir der Welt schenken können.
So manch einer mag sich in uns wiedererkennen, wenn wir die Tore öffnen und in unsere Welt einladen, denn jeder hat auch die sensiblen Seiten in sich.
Wir spüren das Wandern von Sonne, Mond und Sternen
So eine Reise an unserer Seite kann heilend sein, gar Leben verändern oder inspirieren, manche Dinge vielleicht ein wenig anders zu machen als bisher. Lasst uns Brücken zwischen den Welten bauen. Wie leicht können wir unsere Mitmenschen verstehen, sie an die Hand nehmen und mit ihnen durch Märchenwälder tanzen, gemeinsam in die Tiefen der Träume tauchen und Wunder geschehen lassen.
Viele von uns können mit Tieren in Kontakt treten, wir empfinden die Pflanzen, Berge und Seen. Wir können fühlen, wie Sonne, Mond und Sterne wandern.
Es passiert immer wieder, dass wir uns in einem ungünstigen Umfeld befinden. Wir fühlen uns unpassend oder unsere Seelen müssen eine Zeit lang hungern. Wir durchleben Erfahrungen, die an unserer Psyche kratzen und sie entsetzlich verletzen können.
Unendlich traurig, wenn zarte Seelen sogar Grausamkeit am eigenen Leib erfahren müssen. Im schlimmsten Fall verschließen wir Hochempathischen dann unser Herz – manchmal für immer.
Wir tragen jedoch nicht nur unseren eigenen, sondern auch den Schmerz der Anderen. Die Wut, Trauer, Zerstörung und Hilflosigkeit der ganzen Welt empfinden wir mit. Wir tragen die Narben unserer Mitmenschen und das Leid der Welt mit uns.
Unendlich groß ist unser Mut und endlos tief unser Schmerz. Wir sind immens stark darin, dies alles zu ertragen.
Wer, so frage ich, kann das besser als wir hochempathischen, hochsensiblen Wesen? Wir haben den Schmerz der Welt oft schon im frühesten Kindesalter in allen Tiefen durchlebt. Das Erwachsenwerden, das alle wie ein mächtiger Sturm erschüttert, ergreift uns ungeschützt, wie ein tosender Orkan auf offener See.
Wir haben Nerven wie Drahtseile, doch schon der leiseste Hauch bringt sie zum Schwingen.
Wir achten darauf, dass sie immer harmonisch klingen, stimulieren sie sanft und lassen sie unter leisen Reizen intensiv beben.
Dissonanzen machen uns jedoch schnell empfindlich, traurig und krank.
Fühlen wir uns jedoch im Einklang mit der Welt, sind wir erfüllt von dem süßen zarten und immer währenden Lied der Seelenmelodie.
Wir schöpfen liebevoll aus der Quelle des Lebens
Es gibt Dinge auf dieser Welt, die für uns fast unmöglich sind zu erlernen. Wir können die Welt nicht farblos sehen. Es zerrt mit aller Macht an unseren Kräften, in schwierigen Situationen Leichtigkeit auszustrahlen. Wie sollen wir lernen, Lügen zu verstehen? Wie schwer es uns fällt, Ungerechtigkeit und den Sinn von Gewalt nachzuvollziehen. Könntest du über Leichen gehen?
All diese Dinge gibt es schon mehr als genug auf der Welt.
Letztlich sind es Fähigkeiten, die wir zwar mühsam und unter Verlust unserer Persönlichkeit erlernen könnten, die uns aber nur im Wege stehen.
Es gibt so vieles, was wir können:
Seelenleben entschlüsseln und tiefste Regungen im Innern der Herzen erfühlen. Versteckte Nuancen wahrnehmen, Unscheinbarem Bedeutung beimessen, alte Werte pflegen. Wir können nachempfinden, Beistand leisten, Wunden heilen, Wünsche erfüllen und haben bei all dem das Staunen über all die Wunder nicht verlernt.
Wir erkennen die Schönheit in allem, fühlen intensiv und nehmen das Besondere wahr.
Den Zauber im Muskelspiel galoppierender Pferde fangen wir ein. Das Glitzern von Morgentau auf den zarten Härchen der Blätter sehen und bestaunen wir. Leise hören wie die Quelle sprudeln. Der feine Duft der reifen Himbeeren zieht uns in den Bann und unsere Augen strahlen wie das Gold, welches wir in den mäanderten Flügeln der Nachtfalter im Kerzenschein erhaschen.
Die pure Liebe im Blick deines Hundes sieht dein Herz farbiger als deine Augen es je könnten.
So viele Augenblicke, allesamt wertvoll und heilsam, sammeln und hüten wir als unseren Schatz.
Das nackte Leben selbst ist unsere Urkraft, aus der wir liebevoll schöpfen. Die Stille nährt uns. Die Weite der Natur lässt uns in uns ankommen. Unser Zuhause ist ein liebevoll gestaltetes Nest, in dem wir uns um uns kümmern.
Tiefe, Treue, Achtsamkeit, Wahrhaftigkeit, Mitgefühl und Warmherzigkeit sind uns zu eigen.
Heiler, Künstler, Visionäre, Helfer, Denker, Erfinder, Lehrer, Begleiter, Märchenerzähler, Revoluzzer, spirituelle Weise und vieles mehr wirst du unter uns finden.
Lasst uns feiern, dass wir zart sind
Solltest du einen von uns finden und ihm achtsam begegnen, so kannst du liebevollste Hingabe, Hilfe, ewige Freundschaft und Liebe erhalten.
Wir teilen unseren Reichtum mit all unseren Lieben, denn er ist unerschöpflich. Er ist zauberhaft und wunderschön, er ist der Stoff aus dem die Träume der Kinder sind, aus dem Neues erwächst und aus dem heraus die Liebe Früchte trägt.
Das ist pures Glück und ein großes Wunder. Öffne deine Augen, denn ja: Wir sind überall.
Lasst uns feiern, dass wir zart sind.
Erkennen wir den unbezahlbaren Wert unserer Feinfühligkeit. Seien wir stolz auf unser einfühlsames Wesen, dass wir in der Lage sind wahrzunehmen, was anderen unwichtig scheint.
Lasst uns verträumte Wege gehen, auf welchen wir sanft und verletzlich Herzenswünsche erfüllen, statt geradlinig Ziele zu erreichen, die andere Menschen uns stecken.
Ich will sein, wie ich bin. Kommst du mit?
Wir müssen uns selbst wertschätzen so wie wir sind, denn das ist die Voraussetzung dafür, dass wir uns ein wertschätzendes Umfeld schaffen.
Geben wir nicht auf, bis der Tag kommt, an dem unsere wertvollen Fähigkeiten hoch geschätzt werden, wie die von Counselor Deanna Troi, später Brückenoffizierin der Sternenflotte.
Wir müssen nicht erst in den Weltraum fliegen, um das zu erkennen!
Diese Weisheit liegt tief in uns selbst.