Ein gutes Buch ist wie ein Rausch

Ich bin in einer Welt ohne Bücher hinein geboren. Es standen ein paar wenige Exemplare in der akkuraten Anbauwand des Wohnzimmers, aber ich habe nie erlebt, dass sie je in die Hand genommen wurden.

Die Liebe zum Buch habe ich für mich selbst entdeckt. Ich kann mich nicht mehr an den Auslöser entsinnen, aber ich bin bereits als junges Mädchen Stammgast in der örtlichen Bibliothek gewesen und habe die Bücher stapelweise ausgeliehen. Ich verschlang jedes Einzelne von ihnen wie ein Hungriger, dem es nach Essen verlangt.

Bücher haben mich berauscht und der Welt entrückt. Sie haben meine Seele genährt, meine Fantasie befügelt und meine Freiheits des Denkens grenzenlos erweitert.

Noch heute ist es mir ein Fest eines Buches Jungfräulichkeit zu entblättern, während mir dieser ureigene Duft von Worten in die Nase strömt. Die Seiten, die leise knisternd darum flehen aufgeschlagen zu werden, während ich im Vorspiel noch zart den Einband streichel und das Werk langsam in meinen Händen drehe. Diese Vorfreude auf den ersten Satz, das Versinken zwischen den Zeilen und tanzen mit den Sätzen. Meine Beziehung zu Büchern war immer innig und voller Unschuld.

Ich versinke vollkommen im Augenblick und kaum etwas vermag mir in diesen Momenten meine Achtsamkeit den Geschichten gegenüber zu nehmen.

 

Die Welt stand still, wenn ich las

Meiner damaligen Deutschlehrerin ist es nicht entgangen, dass ich immer ein Buch mit in die Schule nahm und meine Nase, wann immer es mir möglich war, hineinsteckte.

Sie war es, die mich eines Tages beiseite nahm und mir im Alter von 12 Jahren Patrick Süskind „Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders“ in die Hand drückte. Bis dato hatte ich mich von Kinderbüchern zur Jugendliteratur vorgearbeitet, einen derartigen Roman hielt ich zuvor nie in den Händen.

Eine Welt öffnete sich vor meinen Augen und meine Sucht nach Büchern war unstillbar.

Meine Lehrerin versorgte mich weiter mit Büchern und ich verschlang sie alle gierig, eins nach dem anderen. Die normale Welt stand still, wenn ich las. Sie hörte einfach auf zu existieren. Meine Welt wurde von fernen fremden Geschehnissen aus schwarzer Tinte auf weißem Grund geformt. Ein unendliches Reich an Möglichkeiten.

Vielleicht hatte ich nie achtsamere Augenblicke in meinem Leben, als all jene Stunden, die ich der Welt der Bücher schenkte.

 

3 Bücher, die mein Leben nachhaltig beeinflussten

Für unsere Challenge habe ich mir überlegt, welche drei Bücher mein Leben besonders geprägt haben. Sofort schwirrten zig Titel durch meinen Kopf und ich verbrachte einige Augenblicke damit mich zu fokussieren. Das brachte mich nicht wirklich weiter, da die Anzahl der Bücher noch immer meine Vorgabe von drei Titeln bei Weitem überschritt.

Ich musste das Ganze also anders angehen.

Ich versuchte meinen Kopf gänzlich von allen Qualitäten, welche ein gutes Buch ausmachen zu befreien. Es ging mir nicht mehr um die literarische Qualität. Ich ließ ausser Acht ob die Bücher zur Weltliteratur gezählt werden können oder nicht. Mein Augenmerk war nicht mehr darauf gerichtet, ob die Worte so einzigartig und wundervoll gewählt waren, dass einem die Luft weg bleibt ohne das es einem bewusst wird.

Für mich musste wirklich nur noch ein einziger Tatbestand erfüllt sein: Hat das Buch mein Leben tatsächlich spürbar beeinflusst?

Bei den drei folgenden Exemplaren kann ich ganz klar und deutlich sagen: „Ja, in diesen Büchern habe ich Dinge erfahren, die mein Leben geändert haben.“

Herzen im Kreis

Hermann Hesse: Siddharta. Eine indische Dichtung

Ich habe, wie so viele junge Menschen, alles von Hermann Hesse gelesen. Seine Art sich auszudrücken hat mich gefesselt und in den Bann gezogen. „Siddharta“ ist nicht mein Lieblingsbuch aus seiner Feder und doch habe ich es ausgesucht.

Ich erinnere mich gut, dass ich am Ende des Buches die Welt als einen magischen Ort voller Möglichkeiten sah. Wie Siddharta strebte ich es an alles auszuprobieren. Nur wer von den Möglichkeiten der Welt kostet, kann sie beurteilen.

Diese unnachgiebige Suche nach dem eigenen Ich, der Erkenntnis, Erfüllung und dem Glück faszinierte mich. Das Siddharta dabei nicht stur seinen Weg gegangen ist, sondern immer wieder neue Möglichkeiten ergriff, hat mich erkennen lassen, dass es im Leben viel mehr gibt als nur den einen anscheinend vorbestimmten Pfad.

Das Wichtigste jedoch, was ich in diesem Buch gelernt habe: Ich muss mit mir selbst im Reinen sein. Bin ich es nicht, so werde ich es niemals mit irgendeinem anderen Menschen sein.

Herzen im Kreis

Dale Carnegie: Sorge Dich nicht – lebe!

Dieses Buch ist wahrlich kein Meisterwerk, aber vielleicht war es für mich dennoch das Wichtigste von allen.

Ich weiß nicht mehr wer mir dieses Buch damals in die Hand drückte, aber ich sollte diesem Menschen eigentlich ewig dankbar sein. Kurioserweise kann ich mich fast gar nicht an die einzelnen Kapitel des Buches erinnern.

Er schaffte es mit diesem Buch mir beizubringen, dass man der Vergangenheit nicht nachtrauert und der Zukunft nicht entgegen zu grübeln. Sein Credo: Konzentriere Dich auf die Gegenwart.

Ich habe das Buch halbherzig gelesen und völlig unerwartet gelangte ich an eine Stelle in dem tief in meinem Innersten ein staunendes Erkennen lichterloh aufflackerte.


Es macht keinen Sinn sich zu sorgen. Es gibt die Sorge um vergangene Geschehnisse – vergiss sie: Was vorbei ist, ist vorbei! Es gibt die Sorge um die Zukunft: Vergiss auch diese, denn Du weißt nicht was kommt!

Als ich dieses Buch gelesen hatte, durchlebte ich viele Momente meines Lebens mit einer stoischen Ruhe und Gelassenheit, die häufig auch auf Unverständnis traf. Nicht jeder war begeistert, wenn ich einfach nur gelassen mit den Schultern zuckte und bemerkte: „Nun man kann sich jetzt darüber aufregen, aber wozu? Es ist doch eh schon geschehen und nun ist es halt so.“

Herzen im Kreis

Marlo Morgan: Traumfänger: Die Reise einer Frau in die Welt der Aborigines

Dieses Buch habe ich innerhalb eines Jahres drei Mal gelesen. Es ist stark in die Kritik geraten, weil die Autorin es angeblich als wahre Begebenheit verkaufte, sie aber laut Medienaussagen,  alsbald zugeben musste, dass die ganze Geschichte frei erfunden war. Für mich persönlich spielt es keine Rolle ob die Handlung wirklich so stattgefunden hat oder nicht. Mag aber auch sein, dass einige Kritiker das Vorwort nicht gründlich genug gelesen haben, denn es findet sich dort unter anderem folgender Satz:


Es geht hier nicht um eine historisch korrekte Abhandlung über die Ureinwohner Australiens! Es ist völlig nebensächlich, dass das Buch in Australien spielt, es hätte auch Afrika oder der Dschungel sein können.

Dieses Buch, wenngleich auch keine literische Meisterleistung, hat mich zutiefst berührt.

Eine Frau auf der Reise mit den Aboriginies lernt grundlegende Erkenntnisse ihres eigenen Lebens kennen:

  • Nur wer sich selbst liebt, kann auch andere lieben.
  • Positive Gedanken zieht positives an.
  • Negative Gedanken zieht negatives an.
  • Bitte das Universum um Hilfe und Du wirst sie erhalten.
  • Alles auf der Welt ist untrennbar miteinander verbunden.
  • Alles auf der Welt hat seinen Sinn.

Die Frau läuft kilometerweit barfuss durch dorniges Gestrüpp, ihre Füße sind blutig aufgerissen. Ihre Haut verbrennt in der australischen Sonne. Sie mitten in einen verheerenden Sandsturm. Nie weiß sie, ob es am Ende des Tages genügend zu essen gibt und die kalten Nächte verbringt sie auf einem einfach Fell.

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die all incusive buchen und ihren Urlaub auf einem, per weißem Handtuch reserviertem, Liegestuhl verbringen. So eine Reise würde ich jedoch nicht in Betracht ziehen, wenn man mir die Strapazen vorher kundtun würde. Trotzdem schafft es Marlo Morgan, dass man sich nichts mehr wünscht, als auf diesem erkenntnisreichen Walkabout dabei zu sein.

Es ist einfach nur faszinierend wie die Aborigines die Welt und jeden einzelnen Moment ehren.

 

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