Der Gundermann, auch die Gundelrebe oder Erdefeu genannt, ist eine wunderbar vielseitige Heilpflanze, welcher schon seit Jahrtausenden magische Kräfte nachgesagt werden. Ihr Ursprung liegt in Europa, aber auch in Asien, wobei sie sich inzwischen munter auf anderen Kontinenten ausbreitet.

Sie wächst im Prinzip so ziemlich überall, kriecht aber immer wieder gerne auf sonnige Plätze zu. Du findest sie oft nah an einem Haus, an Zäunen und Mauern, sowie im eigenen Garten. Sie wächst in Auenwäldern, auf Äckern, an Waldrändern oder inmitten eines Waldes, der sehr licht ist. Sie kommt mit feuchteren Standorten zurecht und verweist oftmals darauf, dass der Boden unter ihr voller Nährstoffe steckt.

Abbildung Gundelrebe Gundermann

Gundelrebe, auch:

Gundermann, Soldatenpetersilie, Donnerrebe,

Erdefeu, Guck durch den Zaun

– Glechoma hederacea L. –

Die Gundelrebe – Mythos, Folklore & Heilkraft

Es war einmal ein Mädchen, das wollte zu einem Brunnen.¹ Auf dem Weg dorthin aber fiel es in ein großes, dunkles Loch, welches sich plötzlich im Boden auftat. Nun das Mädchen starb dabei nicht – oder doch? Es ist nicht gewiss, aber sie war mitten im Reich der Anderswelt gelandet. Ringsumher tanzten Elfen und Feen und feierten ausgelassen.

Das Mädchen tanzte mit ihnen. Mit der Zeit aber wurde sie müde, durstig und hungrig, Als sie von dem reichlichen Essen nehmen wollte, kam eine Elfe und warnte sie: „Iss nichts, wenn du je wieder in deine Welt zurückkehren willst. Sobald nur ein Bissen deine Lippen berührt, wirst du für immer bei uns bleiben.“ So sehr dem Mädchen die Musik und der Tanz auch gefiel, für ewig wollte sie nicht bleiben, also rührte sie das Essen nicht an.

Die Elfe indes flocht dem Mädchen einen Armreif aus den Stängeln der blühenden Gundelrebe. Sie reichte es dem Mädchen: „Bind dies um deinen Arm und du sollst unbeschadet nach Hause zurückkehren.“ Das Mädchen tat wie ihm geheißen und band sich den Kranz um ihr Handgelenk. So kehrte es nach Hause zurück und als sie aus dem Fenster hinaus lauschte, so hörte sie eine zarte Stimme, die sprach: „Du bist zu Hause und fortan geschützt.“

Diese kleine Geschichte stammt aus dem Reich der Kelten. Sie verehrten die Gundelrebe, wie es auch die Germanen taten. Eine Zauberpflanze sei dies kleine, kriechende Ding, welche so stark ist, dass sie Pferde töten kann, wenn diese davon essen. Beherzige es sogleich als Warnung! Für uns Menschen unbedenklich im Verzehr, führt es bei Pferden zu nichts Gutem.

Es heißt, die Gundelrebe war die Pflanze des Wettergottes Thor und ein wahres Zauberkraut für unsere Altvorderen. Sie konnte Blitz und Donner abwehren. Zu den Feiertagen, in der lichtvollen Zeit, flochten die Frauen die Ranken zu Kränzen für das Haar. Die einen Überlieferer alter Mythen vermuten, auf diese Art und Weise waren die Frauen den Ahnen, Geistern und Göttern besonders nah. Andere meinen, der Kranz helfe der Seele im Hier und Jetzt zu bleiben, indem sie ihr eine Verbundenheit, ein starkes Band zu Mutter Erde schenkt.

Aus meiner eigenen Erfahrung heraus stimme ich dem Letzteren zu. Die Gundelrebe klettert über den Boden hinweg und bildet an jedem der Knötchen sofort Wurzeln, um sich im Erdreich zu verankern. So wie das Kraut selbst, hält sich auch unser Seelenheil fest, damit es nicht entflieht, wenn die Schleier zum Reich der Geister offen sind.

Solch ein schützender Kranz war vor allem zum keltischen Fest Beltane oder auch zum germanischen Walpurgisfest, sowie zur Sonnenwende im Juni sehr beliebt. Zur Sonnenwende wird die Pflanze aber nicht nur zum Kranz gebunden, sie ist auch Bestandteil des Sonnwendstraußes, womit die Gundelrebe zu den Sonnwendkräutern zählt. Bringe solch einen Strauß nahe ans Feuer, damit er sich mit der Kraft dieses Elementes laden kann. Hebe ihn hernach als Schutz in deinem Zuhause auf. Den alten Strauß aus dem Vorjahr kannst du den Flammen übergeben.

In vielen Überlieferungen ist zu lesen, dass der Kranz die Fähigkeit schenkt, Hexen zu erkennen. Der Missionierung geschuldet, kommen die Hexen dabei nicht gut weg. Es heißt, geht eine Frau mit solch einem Kranz auf dem Kopf in eine Kirche, so enttarnt sie die Hexen unter dem Volk. Ihre Besen und andere typische Merkmale werden plötzlich sichtbar.

Nun als stolze Hexe des heutigen Jahrhunderts, als Erbin unserer geschändeten Urahninnen, da weißt du gewiss, wir Hexen sind keineswegs am Besen zu erkennen, auch nicht an einer langen Nase oder den Warzen im Gesicht.

Dieses Reiten auf dem Besen entstammt den schmutzigen Phantasien der Inquisition. Es ist eine Andeutung auf die sexuelle Entartung der Hexen, ihrem widernatürlichen Bund mit dem Teufel.

Wie dem auch sei – ruhig Blut bewahren.

Es heißt, eines Tages band sich eine ehrfürchtige Frau, Dienstmädchen von Beruf, solch einen Kranz am Tage vor der Walpurgisnacht. Sie verdächtigte eine Nachbarin der Hexerei und hoffte, sie so zu enttarnen. Am ersten Mai trug sie den Kranz beim Kirchenbesuch, um die Frau als Hexe zu erkennen. Die Kirche aber war voll mit allerlei Hexen. Sie ritten auf Besen durch die Lüfte, stürzten sich auf die Dienstmagd hernieder und prügelten sie, bis das Hirn aus der Nas’n rann – wie es Ludwig Hirsch ausdrücken würde. Nun, tot war die Denunziantin.

Natürlich entspringt solch eine Mär dem verdrehten Hirn eines allzu eifrigen Kirchengängers. Vielleicht ist aber ein kleiner Funken Wahrheit enthalten, wie stets, wenn etwas erzählt wird. Gut möglich, dass die Frauen solch einen Kranz banden, um die Hexen zu erkennen. Ich halte dies durchaus für denkbar. Nicht jedoch, um diese zu denunzieren, sondern, um zu wissen, wer ihresgleichen ist. Was meinst du?

Sind wir schon bei den alten Festen, so sei auch dies erwähnt: Natürlich war es auch Sitte, zu solchen Gelegenheiten reichlich zu trinken. Und da die Seele fliegen sollte, um andere Welten zu besuchen, war in den Bieren so manches Kraut verarbeitet. Auch dies war später ein Dorn im Auge der Sittsamen und sie erfanden das Reinheitsgebot. Einzig und allein hat so nur der Hopfen überlebt.

Dabei war der Hopfen nicht von Anfang an ein Hauptakteur im Bier. Es gab einst sogar eine Zeit, wo er gänzlich verpönt war. Er galt als böses Kraut, einzig geeignet, den Geschmack des Bieres zu verderben. Er mache die Menschen krank und verkürze das Leben. Dass er trotzdem im Bier landete, verdankt der Hopfen seiner Fähigkeit, den sexuellen Trieb abzuschwächen. Erst als die Mönche dies feststellten, wurde das Bier damit gebraut.

Zuvor aber fanden sich im Bier diverse Heilkräuter und psychedelische Pflanzen, wie zum Beispiel die Alraune oder auch das Bilsenkraut. Eines dieser pflanzlichen Zutaten war der Gundermann. Dieses Bier nannte sich Erdhopfen oder auch Gartenhopfen. Kleine Brauereien erinnern sich allmählich wieder an diese alte Art des Brauens und so manch edler Tropfen erfreut heute wieder die Gaumen, auch wenn es sich nicht Bier nennen darf.

Die Gundelrebe landete aber einst nicht nur im Bier, auch die Milchbauern wussten sie zu schätzen. Vor nicht allzu langer Zeit waren noch lauter kleine Zauber rund um die Milch gebräuchlich. Gab eine Kuh zu wenig davon, so wurden drei kleine Gundermannkränze geflochten. Mit jeder Zitze wurde nun dreimal durch die Kränze hindurch gemolken. Nach diesem kleinen Ritual bekam die Kuh die Kränze zu fressen.

„Guter Heinrich bist mein Knecht, mit meiner Kuh ist’s nicht recht. Geh das Dorf auf und nieder, bring mir meinen Nutzen wieder.“

Auch das Melkgeschirr wurde mit der Gundelrebe ausgerieben. Sicher ist sicher.

Gundelrebe Gundermann

Erkenne das Kraut und lerne, es zu nutzen

Das Kraut ist leicht zu finden und zu erkennen. Das Beste ist, wir können die Gundelrebe das gesamte Jahr hindurch nutzen. Sie trägt immer grüne Blätter, spärlicher zwar in der Dunkelzeit, aber ausreichend, um sie zu verwenden.

Die Gundelrebe ist also eine wintergrüne Pflanze. Möchtest du sie finden, so suche in der kalten Jahreszeit nah am Boden, denn sie gehört zu den kriechenden Pflanzen. Im Winter ist sie schwieriger zu erkennen, da sie ihre Blüten noch nicht trägt.

Zu Beginn des Frühlings kann sie von einem ungeübten Auge mit Knoblauchsrauke, Scharbockskraut, dem kriechenden Günsel oder auch der roten Taubnessel verwechselt werden. Das ist jedoch nicht weiter tragisch, denn sie sind allesamt essbar und gesund, nur vom Scharbockskraut sollte nicht zu viel genascht werden.

Mit dem Fortschreiten des Frühjahrs beginnt sich die Pflanze aufzurichten. An ihren Stängeln wachsen wirbelnd kleine blaue oder hell violette Lippenblüten hervor. Die Blüten sind gut zu erkennen, da die Pflanze zu den Lippenblütlern zählt, sie riskiert also eine große Unterlippe mit einer nicht ganz so vorwitzigen Oberlippe. Die Blüten sind meist auf der ganzen Pflanze verteilt, beginnen manchmal aber auch erst ab deren Mitte zu erscheinen.

Die Pflanze kann behaart sein, muss aber nicht. Meistens finden sich an den Blattachsen kleine Härchen. Der Stiel ist im Querschnitt quadratisch. Die Blätter sind recht dunkelgrün und mitunter leicht Purpur überzogen. Sie können bis zu 4cm groß werden und sie sind von ihrer Form her eher rund, mitunter auch nierenförmig. Der Rand ist stark gekerbt. Die Blätter sind kreuzpaarig angeordnet, sprich zwei Blätter stehen sich direkt gegenüber und das nächste Blattpaar ist dann um 90 Grad versetzt, so wie bei überkreuzten Händen.

Die einzelnen Triebe der Pflanzen werden bis zu 30 Zentimeter hoch. Der Gundermann hat einen sehr eigenen Geruch, den du vor allem wahrnehmen kannst, wenn du die Blätter verreibst. Er riecht irgendwie nach Minze, auch ein klein wenig nach Harz. So wie der Geruch, ist auch der Geschmack recht intensiv.

Das Volk nannte die Pflanze einst einfach nur Gund. Es ist ein altes Wort für „Eiter, Beule oder auch faulige Flüssigkeit“. Letzteres bezieht sich darauf, dass es zu jenen Kräutern gehört, die die „Wundjauche“ austreiben. Das ist wohl auch die Hauptaufgabe der Gundelrebe, sie zieht eitrige Entzündungen aus dem Körper.

Nutze die Pflanze vor allem, wenn dich eine Entzündung im Rachen- oder Mundraum plagt, wie eitrige Mandeln. Ja, vielleicht muss man sich an den Geschmack ein wenig gewöhnen, aber am Besten ist es, wenn du dann ein Blatt roh verzehrst. Du kannst alternativ auch die Blüten essen, die bekömmlicher sind.

Damit du ihre Heilkraft auch in der Erkältungszeit nutzen kannst, schaue dir die Blätter ganz genau an, wenn die Pflanze blüht, nimm vielleicht ein gutes Foto auf. So erkennst du sie später ohne ihre Blüten wieder. Denke daran, dass sie sich wieder kriechend auf den Boden zurückzieht, wenn die Dunkelzeit naht. Übrigens lässt sich die Gundelrebe hervorragend auf dem Balkon anpflanzen. Nimm dafür einfach ein, zwei Triebe aus der Natur mit. Sie wird schnell wurzeln.

Kommst du so gar nicht mit dem Geschmack klar, so kannst du sie in Honig ausziehen oder eine Tinktur ansetzen. Allerdings wirst du dann nur noch einen Teil der Inhaltsstoffe erhalten. In der Pflanze stecken Bitterstoffe, Gerbstoffe, ätherische Öle, Saponine, Cholin, Vitamin und Kalzium.

Die Gundelrebe ist eine Pflanze, die uns von innen heraus reinigt, wie zum Beispiel auch die Brennnessel. Es heißt, sie hilft bei der Ausleitung von Schwermetallen (vor allem Blei) und bei Entzündungen aller Art. Du kannst eine Art „Infusion Water“ mit Gundelrebe herstellen, indem du einfach einen Trieb in dein Trinkwasser gibst.

Im wunderbaren Buch „Alchemilla“² von Margret Madejsky findet sich für eine Ausleitung folgendes Rezept:

  • Frauenmantelkraut
  • Erdrauchkraut
  • Gundelrebekraut
  • Stiefmütterchenkraut
  • Walnussblätter

Mische diese Bestandteile zu gleichen Teilen. Übergieße 3 bis 4 Esslöffel mit einem halben Liter kochendem Wasser. Lasse es 5 bis 10 Minuten ziehen, ehe du es abseihst. Trinke es, wenn nötig mit ein wenig Honig gesüßt, über den Tag verteilt. Wende diese Kur für sechs bis zwölf Wochen an.

Aus einem ihrer anderen Bücher³ möchte ich dir noch ein Rezept mit auf den Weg geben, das deiner Haut richtig gut tun wird.

Frühjahrskur für die Haut:

  • 20g Brennnesselblätter
  • 30g Erdrauch
  • 20g Gundelrebe
  • 40g Scharbockskraut
  • 20g Walnussblätter

Mische die getrockneten Blätter. Überbrühe zwei Teelöffel mit 200ml kochendem Wasser und lasse dies 8-10 Minuten ziehen. Seihe es ab und trinke circa einen halben Liter des Tees für sechs bis acht Wochen.

Äußerlich kannst du die Gundelrebe für die Wundheilung nutzen, wenn sich da einfach nichts tut und der Heilprozess nicht voranschreitet. Setze dafür einen kräftigen Sud an, gib die Flüssigkeit auf ein sauberes Leinentuch und lege es auf die Wunde. Solch ein Sud soll auch gegen Pigmentflecken helfen.

Nasche immer wieder einmal von der Pflanze, sie ist im gesamten essbar. Ihre Blüten sind im Salat zudem recht hübsch anzuschauen. Gib gern ein wenig davon in deine Smoothies. Mit Gundelrebe lässt sich zudem ein Gewürzsalz herstellen, indem du die Pflanze schonend trocknest und hernach mit Salz vermengst.

Funktioniert die rohe Form gar nicht für dich, so probiere die Gundelrebe einmal in einer Suppe. Sie ist auch Bestandteil der Gründonnerstag-Suppe, der Neun-Kräuter-Suppe.

Ein kleiner, leckerer Tipp zum Schluss: Tauchst du das Blatt in flüssige Schokolade, so bekommst du eine Art After Eight. Klingt das nicht lecker?

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Quellen und Empfehlungen:

¹) Youtube Video über den Gundermann: https://www.youtube.com/watch?v=SbdYfXtY1O0

  • Konrad Kölbl: Kölbl’s Kräuterfibel. Eine Fundgrube alter und moderner Heilkräuter- und Hausmittel-Rezepte. Reprint-Verlag, Konrad Kölbl KG
  • 8 Kräuterkennerinnen: Zwölf ungezähmte Pflanzen fürs Leben. Wie die Brennnessel und ihre Freunde auszogen, um zu zeigen, was in ihnen steckt! Löwenzahn im Studienverlag.
  • Fleischhauer, Guthmann, Spiegelberger: Essbare Wildpflanzen. 200 Arten bestimmen und verwenden. AT Verlag.
  • Fleischhauer, Guthmann, Spiegelberger: Essbare Wildpflanzen einfach bestimmen. Die 50 beliebtesten Arten in mehr als 400 Farbfotos. Mit Rezepten und Tipps für die Küche. AT Verlag.
  • ² Margret Madejsky: Alchemilla. Eine ganzheitliche Kräuterheilkunde für Frauen. Goldmann Verlag.
  • ³ Margret Madejsky und Olaf Rippe: Heilmittel der Sonne. Mythen, Pflanzenwissen, Rezepte und Anwendungen. AT Verlag.