Neunerholz und Hexenbesen – Was könnte dies miteinander zu tun haben?
Jedes Kind weiß, eine Hexe hat natürlich einen Besen und mit diesem fliegt sie durch die Luft. „Moment mal!“ höre ich meine innere Stimme protestieren: „Hexen fliegen nicht auf einem Besen!“ Nicht? Aber wozu braucht sie denn dann einen Besen, zum Putzen? Ja genau! Hmmm – okay, jetzt mal alles schön der Reihe nach.
Der Flug mit dem Hexenbesen
Wie jetzt? Du sagtest doch gerade, Hexen fliegen nicht auf dem Besen!
Na schauen wir mal.
Spätestens seit Bibi Blocksberg weiß es jedes Kind: Hexen fliegen auf dem Besen durch die Lüfte, außer Baba Jaga, sie fliegt mit einem Mörser. Vor allem in der Nacht zum ersten Mai, wenn sie sich auf dem Blocksberg versammeln und mit dem Teufel so ihre Spielchen treiben, holen sie angeblich ihren Besen hervor.
Nehmen wir mal eine Sanduhr, drehen sie um und lassen wir die Zeit gute 950 Jahre zurück rieseln. Wir landen im späten 14. Jahrhundert, für alle, die verständlicherweise besseres zu tun haben, als zu rechnen. Im später 14. Jahrhundert also bildete sich im Grenzgebiet zwischen Frankreich und der Schweiz eine Bewegung heraus, die es sich zur Aufgabe machte, gegen die Waldenser vorzugehen.¹
Die Waldenser waren Ketzer, musst du wissen. Die Kirche hat es gesagt, also stimmt es. Nein, im Ernst – die Waldenser waren eine protestantische Religionsgemeinschaft, die sich halt in ein paar wenigen Punkten von der „echten“ Kirche unterschied. „Na das geht doch nicht, wo kommen wir denn da hin! KETZEREI !!!“ Ich kann sie heute noch lamentieren hören.
Kurzum, die Waldenser wurden quasi als eine Art ketzerische Sekte verfolgt. Es kann eben nur einen wahren Glauben geben.
Nun, wer verfolgt wird, der muss erfinderisch sein und das waren sie. Sie verlegten kurzerhand einige ihrer heimlichen Treffen in die Nachtstunden. Die Nacht aber gehört dem Teufel, ebenfalls so eine Kirchenweisheit. Aber mal ehrlich, wer sich nachts trifft, der muss doch nicht ganz koscher sein. Apropo koscher … Die Verfolgung weitete sich recht schnell auf weitere Gruppierungen aus, die den Katholiken ebenfalls ein Dorn im Auge waren – zum Beispiel auf die Juden in Norditalien. Sie sind ja eh immer an allem Schuld. Und dann dieser seltsame Sabbath, den sie jeden Samstag abhalten. Das kann doch nur ein Ketzer- oder Hexensabbath sein. Ich verlasse mich übrigens darauf, dass ihr die ironische Bitterkeit aus meinen Sätzen tropfen seht.
Übrigens, an dieser Stelle der Geschichte war der Begriff der Hexe geboren, denn den gab es vorher so gar nicht. Schon mitunter seltsam, sich als Hexe zu bezeichnen, wenn der Ursprung des Namens von den Inquisitoren kommt – ein düsteres Erbe. Gleichwohl bin ich der Meinung, dass es richtig ist, dass wir uns den Begriff neu erobert und positiv besetzt haben – noch nicht in allen Köpfen, aber wir geben an dieser Stelle die Hoffnung mal nicht auf. So kriege ich es ganz gut hin, mich stolz als Hexe zu titulieren.
Dass wir Hexen mit dem Besen durch die Lüfte fliegen, das bereitet mir noch immer Bauchweh – das hängt mit der sexuellen Verknüpfung dieses Utensils zusammen, worauf ich hier jetzt aber nicht näher eingehen möchte. Vielleicht ein anderes Mal.
Jedenfalls, im Zusammenhang mit dem Hexensabbath kam dann der Hexenbesen ins Spiel. Irgendwie mussten die Ketzer ja zum Blocksberg kommen. Was liegt da näher als ein fliegender Besen, auf dem die Hexe reitet?
Außerdem wissen wir ja, Hexen fliegen! Okay, vielleicht nicht mit dem Besen, aber mit ihrer Flugsalbe. Es ist aber nicht der Körper der da reist, sondern der Geist! Ach so?
In den alten Rezepten findet sich so manch eine psychedelische Zutat, die Visionen hervorrufen kann, aber falsch dosiert ebenso zu Besuchen auf der Schwelle des Todes, also dem Tor zur Anderswelt, führt. So fanden sich in der Rezeptur durchaus Bestandteile wie Eisenhut, Nachtschatten, Bilsenkraut, Tollkirsche oder der Stechapfel. Kein Wunder, dass da die Reise abging, die schamanische Reise wohlgemerkt.
Vor allem aus dem 14. bis 16. Jahrhundert finden sich so manche Rezepte, allerdings mit derart abstrusen Zutaten, dass da der männlichen Autorenschaft wohl die schmutzige Phantasie durchgegangen ist. Jetzt lande ich doch noch bei der Sexualisierung. Nun gut. Es wurde ebenso niedergeschrieben, dass die Hexen die Salbe auf die Besen rieben, für einen ganz besonderen Ritt. Mag ja sein, dass die ein oder andere Kräuterfrau auf diese ilLustre Idee kam, aber größtenteils dürften die Geschichten ausnahmslos den sittSamen Gedanken der Schreiberlinge entspringen.
Der Besen stand schon immer mit den Frauen in Verbindung und das nicht nur zum Putzen, sondern ebenso für rituelle Zwecke. Einen Brauch kennst du vermutlich, den Sprung über den Besen bei Frischvermählten, der Glück und Segen versprach. Eine ganze Weile zuvor aber wurden mit dem Besen bereits Energien bereinigt.
So ist aus dem Altrömischen überliefert, dass die einst hoch angesehenen Hebammen die Schwelle des Hauses kehrten, nachdem eine neue Seele den Weg in dieses Heim fand. Dieses Ritual sollte alles Böse von dem winzigen Erdenkind fern halten. Der rituelle Gebrauch des Besens dient also nicht dem Fliegen, sondern dem Eliminieren unerwünschter Wesen und Energien. Ich zitiere mich an dieser Stelle einmal selbst, aus meinem Buch „Samhain“, Seite 139:
„Es gibt in dieser Welt Gegenden, in denen nur den Alten erlaubt ist, zu fegen. Nur diese bejahrten Frauen wissen, wie mit dem Besen umzugehen ist, ohne das Böse dabei aufzuwirbeln. Die rituelle Reinigung ist eine der wichtigsten Aufgaben eines Hexenbesens. Du kehrst damit aber nicht, wie mit einem herkömmlichen Besen, den Boden, um ihn von weltlichem Unrat zu befreien. Die Entfaltung der Besenkraft vollzieht sich auf einer anderen Ebene. Wir sind es gewohnt, mit dem Kehren, den Dreck zu entfernen. Ein Hexenbesen eliminiert nicht nur energetischen Schmutz, ebenso vermag er positive, von uns erwünschte Energien in einen Ort hinein zu fegen. Er verschiebt quasi Kraftfelder – unabhängig von ihrer Beschaffenheit – von einem Punkt zu einem anderen.“
Fege, fege geschwind hinfort,
all das Üble von diesem Ort.
Es ist nun an uns, die uralte Tradition unserer Ahninnen fortzuführen. Ich habe in meiner Hexenbehausung stets einen Besen griffbereit und verwende diesen beispielsweise in Reinigungsritualen oder um einen Schutzkreis zu ziehen. Und an dieser Stelle kommt das Neunerholz zu Wort, denn aus genau neun Hölzern besteht mein Besen. Insgesamt sind es bei mir 27 Äste, die zusammenkommen, von jedem Baum drei. Dies erschien mir sinnvoll, denn alle guten Dinge sind DREI.
3×3 = 9
Das sind zwei Dreien und wir erhalten unser Neunerholz, aber ich ging noch einen Schritt weiter.
3x3x3 = 27
Sicher ist sicher.
Das Neunerholz
Das Neunerholz besteht also aus neun Hölzern, nur warum und welche?
Die NEUN ist eine magische Zahl, du kannst in meinem Artikel dazu so einiges erfahren. An dieser Stelle erwähne ich nur einen Vorzug dieser Zahl: Sie ist Vollendung und Anfang zugleich. So beendet sie beispielsweise den Zyklus der einstelligen Zahlen, denen aber, wie wir wissen, die Zehn prompt folgt. Die Neun spielt ebenso eine wichtige Rolle in der Nordischen Mythologie und das nicht nur, weil der Weltenbaum Yggdrasil aus neun Welten besteht. Lies gerne mal im Artikel nach, es ist spannend – versprochen.
Die Neun spielt nicht nur bei den Hölzern eine Rolle, sondern ebenso in der Kräuterwelt – was den Wert dieser Zahl für unsere Vorfahren verdeutlicht. Vermutlich kennst du beispielsweise die Neunkräutersuppe. Im Manuskript der Lacnunga (Sammlung verschiedener altenglischer Texte über verschiedene Heilmethoden) ist im Neunkräuterzauber die Wirkung und Zubereitung von neun Heilkräutern beschrieben.
Bleiben wir heute aber beim Neunerholz, mit dem du deinen Besen binden kannst. An dieser Stelle eine Anmerkung, du kannst den Besen ebenso nur mit einem der Hölzer binden oder beispielsweise Reisig von Beifuß verwenden. Letzteres habe ich meist ebenfalls für jeweils ein Jahr im Haus. Ich zeige nur Möglichkeiten, deinen Weg bestimmst du.
Zudem ist das Neunerholz nicht nur für Besen gedacht – du kannst damit auch rituelle Feuer aufschichten und an oder in den Flammen Zauber weben.
Im Hexencredo (einer Wicca-Rede) steht:
Neun Hölzer sind für den Kessel gut,
brenn sie schnell mit sanfter Glut.
*
Dies ist übersetzt aus dem Original von Lady Gwen Thompson, die sich dabei auf die Worte ihrer Großmutter, Adriana Porter, beziehen soll:
Nine woods in the Cauldron go,
burn them quick a‘ burn them slow.
Ich verlinke dir die gesamte Rede am Ende des Textes in einer deutschen, teils freien Übersetzung von einem Hamburger Coven.²
Ehe ich dir gleich eine Auswahl meiner neun Hölzer präsentiere, lass mich Luisa Francia aus ihrem Werk „Das magische Kochbuch“ zitieren:
Folgende neun Hölzer empfinde ich als besonders wirkungsvoll. Die Übersicht ist ebenfalls meinem Samhain-Buch entnommen.
Zum Abschluss ein Video und somit mein drittes Geschenk an dich aus meinem Buch, in welchem immer wieder mal Videos zum besseren Verständnis über QR-Codes verlinkt wurden. Im Folgenden bindet eine Freundin den Hexenbesen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen¹Weishaupt, Marina: Mythos Walpurgisnacht: Was steckt hinter den Hexen-Sagen? (Stand 22.06.2023). https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2023/04/mythos-walpurgisnacht-was-steckt-hinter-den-hexen-sagen-tanz-in-mai. [27.03.2023].
² Hexencredo
Auf das Hexenrecht wirst du bauen,
in wahrhafter Liebe und rechtem Vertrauen,
lebe und lass alle anderen leben,
sei mäßig beim Nehmen und mäßig beim Geben.
Zieh den Kreis auf dreimal aus,
und halte alles Böse draus.
Deine Sprüche werden wirksam sein,
wenn sie geschmiedet sind im Reim.
Die Augen sanft, Berührung zart,
Zuhören vor Reden sei deine Art.
Wächst der Mond, geh sonnenwendig,
tanz und sing das Pentakel lebendig.
Doch heult ein Wolf beim blauen Eisenkraut,
geh der Sonne entgegen, denn der Mond wird abgebaut.
Wenn der Göttin Mond im neuen Stand,
küsse dann zweimal Ihre Hand.
Achte den Vollmond, sei bereit,
für Sehnsucht im Herzen ist die richtige Zeit
Lässt der mächtige Nordwind sich spüren,
streiche die Segel und schließe die Türen.
Der Wind aus dem Süden bringt Herzen zum Blühen,
auch du kannst mit ihm in Liebe erglühen.
Neuigkeiten wird der Ostwind entschleiern,
erwarte und bereite dich vor auf das Feiern.
Hat der Wind aus dem Westen zu befehlen,
unruhig sind dann die wandernden Seelen.
Neun Hölzer sind für den Kessel gut,
brenn sie schnell mit sanfter Glut.
Der Baum der Göttin[5] ist weise und alt,
schade ihm und ihr Fluch ist dein Gehalt.
Erreicht das Jahresrad Walpurgisnacht,
brenne ihr Feuer in voller Pracht.
Ist das Rad bei Yule arriviert,
dann zünde die Fackeln und Pan regiert.
Alle Pflanzen sollst du pflegen,
denn das trägt der Göttin Segen.
Die murmelnden Gewässer sind dein Gewissen,
wirf einen Stein und du wirst es wissen.
In deiner Not wirst du dich bewähren,
und nicht den Besitz deiner Nächsten begehren.
Lass dich nicht mit Narren ein,
sie bringen dich in falschen Schein.
Begrüßung und Abschied mit Wärme gemacht,
dein Herz wird zum glücklichen Glühen gebracht.
Das Dreifach-Gesetz sei dein leitender Faden,
dreimal bringts dir Glück und dreimal den Schaden.
Wenn Missgeschick regiert dunkle Tage,
auf deiner Stirn einen Stern dann trage.
Die, die dich lieben, wirst nie du betrügen,
sonst werden auch sie dich ins Antlitz belügen.
Zum Schluss noch acht Worte und ab da gilts:
Schadet es keinem, so tu was du willst!