Cailleach wird meist als sehr alte Hexe beschrieben – She is an old hag.
Ihr langes Haar ist silbrig weiß und mit Reif besprenkelt, das bleiche, blass-blaue Gesicht ist knöchrig und mit faltigen Furchen übersät. In einigen Beschreibungen ist von nur einem Auge die Rede, welches sie mitten auf der Stirn trägt – bezeichnend für alle Gottheiten, die über diese Welt hinaus in die nächste sehen können.
Sie ist oft in grau gekleidet, mit einem dunkelbraunen Plaid über den Schultern. Auf dem Rücken trägt sie einen Weidenkorb. Die Weide, der Baum des Todes und des Lebens. Cailleach trägt einen Holzstab, manchmal aus Holunder, manchmal ein Schlehenstab – doch stets verbunden mit einem Holz der Hexen. In einigen Geschichten ist es kein Stab, sondern ein Hammer, den sie bei sich führt, wie der Gott Thor.
Die Ur-Göttin Cailleach
Es heißt, sie sei älter als die Zeit selbst. Sie geht selbst der keltischen Mythologie voraus, dessen Teil sie heute ist. In einem irdischen Gedicht ist es so beschrieben:
There are three great ages;
the age of the yew tree,
the age of the eagle,
the age of the cailleach.
Es gibt drei große Zeitalter, das Zeitalter der Eibe, das Zeitalter der Adler und das Zeitalter der Cailleach. Ihre Herkunft ist unbekannt und gibt Anlass zu zahlreichen Spekulationen, angefangen bei einer spanischen Prinzessin namens Beara bis hin zu einer Verbindung zur hinduistischen Göttin Kali.
Es gibt kaum Abhandlungen über Cailleach, aber sie taucht immer wieder in Mythen und alten Legenden auf. Diese wurden hauptsächlich von Mund zu Mund von Generation zu Generation weitergegeben.
Sie trägt viele Namen. Sie ist die Göttin der Ahnen, der Weisheit, die mit dem Alter zu uns kommt. Sie ist eine Wetter-Göttin, eine Göttin der Zeit, der Transformation, dem Wandel der Gestalt und natürlich des Winters. Sie ist eine Sidhe, eine Göttin der Hügel – dem Platz, wo das Reich der Feen beginnt. Sie ist the hag crone, die verschleierte Hexe, die beißende alte Frau oder die weise alte Frau, die Seherin, die Totenfrau, die Frau aus Steinen, die Erdgöttin, die dunkle Mutter, Herrscherin über die Dunkelheit, …
Die Vorsilbe „Caill“ ist die „Bedeckung“ und in viele Geschichten ist von der Verschleierten, der Verhüllten die Rede. Dies ist nicht nur ein bloßer Kopfschmuck, es deutet auch auf die tiefen Geheimnisse hin, welche die Göttin allesamt kennt.
Im Gällischen wird vermutet, ihr Name ist mit dem Begriff Chalice verbunden, was einst Kelch bedeutete und später vermutlich den Kessel bezeichnete, ein Symbol der Wiedergeburt und des Mutterleibes.
Viele Landschaften schuf sie und auch heute tragen viele Berge, Höhlen, Flüsse oder auch Felsen noch ihren Namen. In den alten Mythen ließ sie Felsbrocken aus ihrem Korb oder ihrer Schürze fallen und schuf so die Hügel. In diesem Zusammenhang wird sie meist als Riesin genannt.
Cailleach ist die Landschaft,
auf der wir wandeln,
sie ist die Steine, die Hügel
sie ist das Ufer der Seen,
der Eingang zu den Brunnen,
der Kiesel auf dem Weg.
Sie ist das Dunkel
das Mysterium
das Verborgene
das Wütende
das Geheimnis.
Göttin der Erde und des Wassers
Indem sie die Erde schuf, ist sie natürlich eng mit dieser verbunden. In ihr lebt der Geist des Landes – aber sie ist auch die Göttin der Flüsse und Seen, der Ozeane, Bäche und Brunnen. Land und Wasser sind durch die Ufer getrennt.
Ufer sind seit jeher eine Schwelle, ein Ort der Transformation. Cailleach nun, die nicht nur zwischen Land und Wasser steht, sondern durch deren Adern auch beide Elemente fließen, hat eine besonders mächtige, transformative Kraft. Oft taucht sie als Seherin auf, die über den Rand der Welt hinausblicken kann. Sie kann in unsere Träume eingreifen und Einfluss auf innere Reisen nehmen.
Ihre Schwellenkraft zeigt sich auch in ihrem Aspekt einer Art Hebamme für das sterbende Jahr. Ziehen wir an dieser Stelle den Kreis um Cailleach für einen Augenblick ein wenig enger und verdichten einige Aspekte der Göttin in einer alten Geschichten.
Am Vorabend von Imbolc reist Cailleach zu einer magischen Insel, in deren Mitte sich ein Wald erhebt. In diesem Wald steht der felsige Brunnen der Jugend. Im ersten Glimmen der Morgendämmerung trinkt die Alte von dem frischen Wasser, dass aus der Felsspalte sprudelt und sie wandelt sich von der alten, hässlichen Hexe in eine wunderschöne Jungfrau, die Göttin Bride.
Sie trägt einen Zauberstab, der die nackte Erde und auch die kahlen Bäume wieder ergrünen lässt. Und – es so wird es vermutet – geschieht zu Samhain genau das Gegenteil: Bride reist zu der Insel, trinkt vom Wasser der Quelle und wandelt sich zur alten Hexe Cailleach.
Cailleach und die Dreieinigkeit
Es ranken sich viele Geschichten um Cailleach und Bride, welche keine Geringere ist als die Brigid, welche sich zum Imbolc-Fest erhebt. In vielen Geschichten heißt es, Cailleach wird zu Brigid an Imbolc und Brigid zu Cailleach an Samhain. Manchmal verschieben sich die Zeiträume auch, aber eindeutig steht die Cailleach dabei immer für die Zeit des Winters.
Einige wenige Mythen erwähnen Cailleach als einen Part der Dreieinigkeit, welche immer wieder in der Welt der Gottheiten auftaucht, denken wir beispielsweise an die drei Nornen am Grunde des Urdbrunnens in der Welt Yggdrasils. Und so steht auch über Cailleach geschrieben, sie sei
the crone
the mother
and the maid
Andernorts taucht Cailleach mit ihren beiden Schwestern auf, als
Cailleach Bheare
Cailleach Bolus
Cailleach Corca Duibhne
In einigen wenigen Geschichten ist die Göttin als dreifache Kraft in Brigid, Modron und Cailleach lebendig.
Die Kelten glaubten an die Kraft der Schlange, welche den Frühling bringt. Zu Imbolc habe Cailleach diese Schlange geweckt, diese begann sich zu häuten und mit dieser Häutung endete die Regenschaft der Alten. Sie legt den Holunderstab unter den Holler und wandelt sich in einen Stein.
Aus diesem erhebt sich Brigid, sie ergreift den Stab und setzt sich auf den Hirsch. Mit ihm reitet sie durch die Lande, bereit die Samen zu wecken. Zur Sommersonnenwende geschieht dieser Wandel zwischen Brigid und Modron, welche den Stab zu Samhain an Cailleach weiterreicht. Die dreifache Göttin der Kelten in einer sich wandelnden Person vereint.
Es ist schwer zu sagen, warum dieser Aspekt des alten Mythos nur selten in den Geschichten auftaucht. Vielleicht ist er einfach über die Jahre verloren gegangen. Für das Christentum war schon die geballte Kraft einer Göttin zu viel des Guten, in dreifacher Form muss sie ihnen das Fürchten gelehrt haben.
She is the crone,
but also the mother and the maiden –
she is all things, she is in all things, she is the goddess.
Cailleach die Göttin des Todes und des Winters
Fast allen Geschichten gemein ist, dass Cailleach zum Ende des Herbstes auftaucht, um die Herrschaft über das Land zu übernehmen. Du kannst ihre Energie in der Tiefe des Herbstes spüren. Sie weht durch die kalte, klare Luft, die vom kommenden Frost erzählt.
In diesem Zusammenhang taucht stets ein weiterer Aspekt der alten Göttin auf. Sie herrscht unheimlich gerne! Immer wieder hält sie mit aller Macht an dem Winter fest und möchte ihn nicht ziehen lassen. Eine der Legenden sei an anderer Stelle, zu Imbolc erzählt.
Oh die Alte kann wüten und grollen, wenn sie dem Frühling weichen soll. Es heißt, einmal habe sie vor lauter Wut den Zauberstab unter eine Stechpalme geschleudert und dies sei der Grund, warum unter dieser Pflanze so gut wie nie Gras gedeiht. In anderen Geschichten grollt ihre Wut die Berghänge hinab oder schlägt als Donner in die Erde ein.
Cailleach ist eng mit dem Winter verwoben. Sie reitet auf einem Wolf (manchmal auch einem Wildschwein) durch die Lüfte und bringt den Schnee oder sie reiten über Land, um alles Leben niederzuschlagen. Schlägt sie mit dem Zauberstab auf den Boden, so verteilt sich der Frost bis in die letzte Ritze.
Sie hat aber auch eine weiche, warme Seite. Um die Hirsche Schottlands zu schützen, so ein alter Mythos, lasse sie immer ein klein wenig Grün zum Grasen stehen. Und unter der Erde hütet sie sicher und warm die Samen des Lebens, damit sie einst erneut erblühen – auch wenn sie diesen Tag am liebsten immer bis in alle Ewigkeit hinauszögern würde.
In Schottland galt der 25. März lange als Cailleach Day – bis weit in das 17. Jahrhundert hinein. Es war der einstige Neujahrstag, an dem viele Wettbewerbe stattfanden, um die Winterhexe zu vertreiben und den Frühling willkommen zu heißen.
Zu Imbolc feierte die Menschen in Orkley das Gyros Fest und nein, es handelt sich nicht um den sich drehenden Fleischspieß. Gyros ist vermutlich auf Gyre von Carling zurückzuführen, einer der vielen Namen der Cailleach. Zu diesem Fest verkleideten sich zwei Jungen des Dorfes als Hexen, welche die jüngeren Kinder durch die Stadt jagen. Sie versuchten sie zu fangen und mit Seilen zu schlagen.
In Irland gibt es den day of the banshees, dem Tag der Todesfee. Er fällt auf den 1. November und feiert die Herrschaft der Cailleach. Die zweite Feier findet am Vorabend von Imbolc statt und symbolisiert das Ende der Cailleach.
Cailleach wird oft mit dem Tod und der Zerstörung in Verbindung gebracht, was nicht verwundert, waren die alten Winter doch sehr hart und nicht selten hatten sie den Tod im Gepäck. Es ist aber zu kurzsichtig, sie als einen reinen Aspekt des Todes zu betrachten, denn sie bewahrt das Leben und bringt es sicher über die Schwelle in die neu erblühende Zeit.
Ja, sie kann sehr wohl furchterregend sein – vor allem, wenn die Angst vor dem Tod einem im Genick sitzt und nichts so sehr gefürchtet wird, wie das eigene Vergehen. Wer aber die Zyklen des Lebens versteht und mit dem Leben selbst im Reinen ist, der braucht den Tod nicht zu fürchten.
Diesen Menschen hilft Cailleach in Weisheit loszulassen, was nicht mehr benötigt wird, was uns nicht mehr dient. So schafft sie einen Raum, in dem Neues überhaupt erst entstehen kann. Und auch, wenn sie wütet und tobt, es kommt immer der Zeitpunkt, an dem sie das Zepter niederlegt und sich das Neue erheben darf.
Der Tod ist nie etwas endgültiges, sondern der Beginn einer neuen Reise. Cailleach tötet die Pflanzen, aber hütet deren Samen wie einen Schatz. Tod und Leben liegen eng beieinander.
Irgendwie kommt sie mir bekannt vor
Sie bringt Stürme, Schnee und den Winter. Sie kennt das Gesicht des Todes und nimmt die Seelen der verstorbenen Kinder mit sich, der Heimchen. Sie belohnt die hart arbeitenden Menschen und bestraft die Faulen. In den ganz alten Geschichten rupft sie die Gänse und lässt ihre Federn als Schnee auf die Erde fallen, indem sie sie aus dem Fenster schüttet – später waren es dann Daunenfedern.
Der Regen fällt auf die Erde, wenn sie wäscht. Der Blitz saust hernieder, wenn sie Flachs zu Leinen schlägt und der Nebel zieht durch die Landen, wenn der Rauch aus ihrem Schornstein qualmt. Die Rede ist von Frau Holle – unserer Wintergöttin. Sie ist die in einem Märchen versteckte Ur-Göttin der alten nordischen Zeit und weist erstaunlich viele Parallelen zur Cailleach auf.
Das magische Wirken mit der Göttin Cailleach
Mit Samhain erhebt sich diese alte Göttin. Es ist die Zeit, wo die Welt in einen tiefen Schlaf fällt. Sie ist in Dunkelheit gehüllt, eisige Winde wehen über das Land, Stürme brausen durch die schwarze Nacht. Es ist Cailleach, die schützend über diese Tage wacht.
Ihren Schutz kannst du anrufen, wenn du dich selbst leer, einsam und dunkel fühlst. Sie öffnet einen Raum des Rückzuges, der Ruhe. Schenkt dir den Platz für deine Leere, zeigt dir die Schönheit des Stillstandes, des Innehaltens, bis die Zeit kommt, wo wir wieder erwachen.
Mit ihr lassen sich Ängste bezwingen, denn sie ist die Furchtlose – die alte Göttin, die alles schon gesehen hat und die nichts mehr schrecken kann. Sie weiß von den Zyklen des Lebens und der tiefen Bedeutung dahinter. Kennt den Sinn von Leben, Tod und Wiedergeburt.
Sie steht für das Dunkle, dass wir oft fürchten – doch das Dunkel ist in stetiger Balance mit dem Licht. Was wäre ein Welt ohne die Nacht, ohne den Tod, ohne Schatten und ja auch ohne Ängste? Könnten wir Schlaf finden, wenn alles erleuchtet ist? Könnte das Leben überhaupt gedeihen, wenn nichts vergeht? Ist die Angst nicht auch unser Schutz – würden wir uns nicht stetig in Gefahr begeben, wenn wir nichts mehr fürchteten?
Cailleach hilft dir, das Dunkle anzuschauen, hilft dir den Kreislauf zu verstehen. Sie zeigt dir die Schönheit hinter diesen trostlos wirkenden Fassaden und sie lüftet die Schleier, welche sich bleiern über uns legen.
Wir alle tragen Masken und verhüllen unsere unerwünschten Seiten vor den forschenden Augen der Anderen, der Außenwelt. Manchmal ist dies nötig. Vieler dieser Schleier sind wir uns bewusst, aber einige von ihnen sind so eng mit uns verwoben, dass wir sie selbst nicht mehr sehen können. Cailleach kann durch all deine Schleier sehen und die Wahrheit dahinter erkennen.
Rufe sie an, wenn du selbst bereit bist, deine Schleier zu lüften. Nutze ihre erdige Kraft, ihre schonungslose Ehrlichkeit und die Tiefe ihre Emotionen durch die Verbundenheit zum Wasser, dem Fließen des Lebens.
Du kannst ihre Energie in allen Bann- und Loslass-Ritualen einsetzen.
Möchtest du dich mit ihr verbinden, um ihre Botschaften zu empfangen, so nimm einen Hühnergott¹. Setze dich ruhig hin, halte den Stein in der Hand und verbinde dich mit der Energie der Erde. Öffne dich für ihr Wesen, bleibe im Vertrauen.
Ein guter Ort für solch eine Verbindung ist der Ursprung einer Quelle. Du kannst auch felsige Steine nutzen, die Ufer an Bächen, Flüssen und Seen. Cailleach findest du in Steinkreisen, auf Hügeln, in den Bergen, an Brunnen und in Sümpfen.
Ihre Steine sind die Kiesel, alle Arten Rohsteine, der graue Achat und vor allem auch der Hühnergott.
Ihre Farben sind schwarz, grau, mitternachtsblau, silber, weiß und braun.
Symbolisch ist sie mit dem Schnee, den Zauberstäben, den Hirschen, den Schädeln, dem Hammer und allem Felsigen verbunden. Ihre Kraft ist zum abnehmenden Mond am stärksten.
Sie liebt Waldmeister, die Zaubernuss, die Hasel und deren Nüsse, Patchouli, die Stechpalme, die Kiefer, die Ulme, die Eibe, Schlehen und vor allem auch den Holunder. Im Tierreich sind ihr besonders die Katzen, die Rehe und Hirsche, die Wölfe, die Eulen, Wildschweine, Raben, Krähen und Ziegen nah.
Möchtest du ihr Opfergaben darbieten, so wähle Kiesel, Hagstones (Hühnergott), Federn und Süßes.
Arbeite mit den Elementen Erde und Wasser.
¹Hühnergott / Hagstone ist ein Stein mit einem natürlich geformten Loch
Quellen:
Patterson, Rachel. Pagan Portals – The Cailleach. John Hunt Publishing. Kindle-Version.
The Celtic Goddess. John Hunt Publishing. Kindle-Version.
d’Este, Sorita; Rankine, David. Visions of the Cailleach: Exploring the Myths, Folklore and Legends of the pre-eminent Celtic Hag Goddess . Avalonia. Kindle-Version.