Der Magier im Tarot ist die logische Konsequenz aus der Fülle des Narren. Im Wort Magier steckt unverkennbar die Magie, doch was verbirgt sich dahinter? Ist der Magier ein Zauberer, ein Kenner des Hokuspokus oder steckt mehr, eine Art tiefere philosophische, mystische Bedeutung hinter dieser Tarotkarte?
Die Karte ist, wie auch es auch schon bei der vorangegangen Karte der Narr der Fall war, dem Element der Luft zugeordnet. Dies spricht für einen wachen, freien Geist, der den Luftwesen eigen ist. In der Astrologie finden wir ihn im Planeten des Merkurs wieder. Merkur (oder auch Hermes) ist der Götterbote. Dieser Planet ist der Sonne am nächsten. Numerisch ist der Magier mit der Eins verbunden, sie ist die Essenz im Zeichen der Sonne, der Punkt im Kreis (der Null/des Narren). Die Eins und der Magier: Beide sind sie die erste Manifestation, der erste Schöpfungsakt aus einem Reich der unendlichen Möglichkeiten.
Der Magier im Tarot
In der Karte des Magiers manifestiert sich also das grenzenlose Potenzial des Narren. Drücken wir einmal sämtliche Augen zu und nehmen für einen kurzen Moment an, dass der Narr der Rune Perthro entspricht. Diese Rune ist ein Kessel, der alle Möglichkeiten enthält. Nun, mit dem Magier ist es an der Zeit, diesen Möglichkeiten eine Form zu geben.
Wie wir noch genauer sehen werden, jongliert der Magier mit den vier Elementen. Er weiß jedoch nicht nur mit diesen, sondern auch mit allen anderen Kräften umzugehen. Das setzt voraus, dass der Magier ein Hüter des uralten Wissens ist und dieses zugleich auch vermittelt.
In der Kraft des Magiers verschmelzen bewusste und unbewusste Ebenen miteinander. Er selbst ist dabei stets in sich ruhend, wie auch die Kraft der Eins in sich selbst ruht. Der Magier muss nichts beweisen, denn er weiß um seine Schöpfungskraft.
Diese Tarotkarte erzählt von deiner ureigenen, magischen Essenz, die in dir steckt. Sie erzählt davon, dass auch du uraltes Wissen in dir trägst und das es nun an der Zeit ist, dieses Wissen nach außen zu tragen. Oder auch es zu kommunizieren, wie der Merkur. Verbinde die Ebenen miteinander. Lasse das Unbewusste atmen und bringe es auf die Ebene des Bewusstseins. Keine Form von Hokuspokus, sondern das Erinnern an die eigenen, ganz natürlichen, ureigenen Kräfte.
Die Eins (und auch der Magier) ist ein Moment der Schöpfung. Etwas möchte, nein etwas will (!) unbedingt entstehen, erwachen!
Der innere Ruf ist ertönt. Nun gilt es, ihm zu folgen.
Das Arthur Edward Waite und das Aleister Crowley Tarot
Arthur Edward Waite sagt über die Karte des Magiers:
„Ein Magus darf nicht unwissend sein, das Magie Überlegenheit, Meisterschaft und Mündigkeit impliziert, und Mündigkeit bedeutet Emanzipation durch Wissen.“
Aleister Crowley sagt über den Magier, dass er wie Merkur für die Weisheit, den Willen und das Wort steht. Er ist es, der die Welt erschafft.
Wir kommen an späterer Stelle noch einmal speziell auf den Magier aus dem Aleister Crowley Tarot zurück.
Dehne deinen Geist
Um aus dem unendlichen Potenzial des Narren schöpfen zu können, braucht unser Geist eine hohe Form an Elastizität. Das heißt, wir müssen ihn dehnen. Es gilt nicht nur geradeaus und innerhalb gewisser Grenzen zu denken, sondern den Geist in alle Richtungen zu weiten und dabei alle Betrachtungsebenen einzubeziehen.
Sind wir für alle Optionen offen, so können wir die Elemente und Kräfte, welche uns dienlich sind, geschickt miteinander verknüpfen.
Mit dieser Karte kommt etwas auf dich zu, möglicherweise ist es vielleicht auch schon da. Es wird dich herausfordern. Du aber bist der Magier, Hüter des alten Wissens. Du wirst in der Lage sein, aus dir selbst heraus zu erschaffen, aus deinem in dir ruhenden Wissen zu schöpfen.
Bleibe ruhig
Es ist wichtig, bei alledem nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Werde nicht nervös, sondern bleibe ruhig. Deine ruhende Kraft ist der Schlüssel zu den sich offenbarenden Erkenntnissen. Sei demütig und du wirst sehen, dass schon bald die Menschen deine Nähe suchen, um dich um Rat zu fragen.
Würze deine Ruhe mit einer zielgerichteten Entschlossenheit, doch bleibe dabei aufrichtig. Ergreife deine Chance(n) und handle.
Glaube an dich!
Die Karte sagt: Du kannst das! Du hast alles, was du dafür benötigst. Sei einfach nur vollkommen präsent.
Sei ein Alchimist
Der Magier ist oftmals hinter einem Altar stehend abgebildet. Den Zauberstab hält er fest himmelwärts ausgerichtet in der Hand. Die andere Hand zeigt Richtung Boden. Die Balance zwischen Himmel und Erde, oben und unten ist gewahrt. In vielen Decks finden sich auf der Karte Symbole der Kelche, Münzen, Schwerter und Stäbe der kleinen Arkana. Sie stehen für:
Kelche -Wasser
Münzen – Erde
Schwerter – Luft
Stäbe – Feuer
Der Magier weiß sie alle zu nutzen, er ist ein Alchimist. Mit allen Elementen, allen Mächten lebt der Magier im Einklang. Er ist sich bewusst, dass er ein Teil des großen Ganzen ist. Der Magier lebt im Fluss des Lebens, gibt sich ihm hin, ohne seinem Ego Beachtung zu schenken. Gelingt ihm dies, so öffnen sich Türen um Türen.
Die Tarotkarte fordert dich also auch auf, das ungesunde Ego fallen zu lassen. Es ist an der Zeit, aus deinem naturgegebenen Individualismus heraus zu handeln, nicht aus egozentrischen Bestrebungen.
Trage nicht den Wunsch in dir, die Welt zu beherrschen – übe dich in Demut und lerne ihr zu dienen. Erkenne deine Wünsche und sei Schöpfer deiner Realität.
Welche Schlüssel trägst du in deinen Händen?
Welchen Zielen möchtest du dienen?
Welche Türen sollen sich dir öffnen?
Der Magier im Aleister Crowley Tarot
Im Mittelpunkt der Karte siehst du Merkur (=Hermes) als goldenen Götterboten abgebildet. An seinen Füßen gold-gelbe Flügel. Strahlen führen von seinem Körper weg – Formen von Energie des Lichtes.
Sein Lächeln strahlt und doch sitzt es ein klein wenig schief im erhobenen Gesicht – verschmitzt vielleicht? Rechts unten sehen wir einen Affen. Crowley selbst sagt, es sei der Affe „Hanuman“, eine hinduistische Gottheit, die über enorme magische Kräfte verfügt. Sein ägyptisches Gegenstück, und somit einigen Crowley Anhängern näherstehend, ist „Cynocephalus“.
Der Magier scheint zu jonglieren, mit Münzen, die nicht nur für die Finanzen stehen, sondern auch für die Materie und den Körper. Der Stab birgt die Philosophie, aber auch die Spiritualität in sich. Das Feuer steht für die Verwandlung, für eine gewisse Dynamik. Es lodert mit inspirierender Kraft. Der Pfeil ist zielgerichtet. Die Kommunikation, die Funktion des Magiers als Götterbote, drückt sich in der Schriftrolle aus. Das Ei mit seinen Flügeln ist eine stetige Quelle für das Neue.
Das Crowley Tarot ist eng mit dem ägyptischen Gott Thoth verbunden. Er ist ein Gott des Mondes, der Magie, der Weisheit, der Wissenschaft oder auch der schriftlichen Kommunikation. Das eben erwähnte Ei enthält im Schöpfungsmythos Ägyptens den „Träger des Lichts“.
Weiterhin findet sich ein Kelch mit Schlange, Symbol für die Veränderung (Schlange) und das Reich der Gefühle (Wasser). Das Schwert steht für die Logik, den scharfen Verstand.
Auf dem Bild finden wir auch die beiden Schlangen wieder, die uns schon bei dem Narren begegneten. Dieses Mal ist der Blick voneinander abgewandt – heilende, nach außen gerichtete, sich transformierende Kräfte entfalten ihre Wirkung.
Über all dem die Taube. Sie ist die Trägerin der Schöpfungskraft, im Christentum auch Trägern der Kraft des Heiligen Geistes. Aus dieser schöpferischen Kraft geht ein goldener Strahl mit blauem Kern mitten durch den Merkur hindurch. Sein Wirken, sein Wissen und all sein Sein ist eng an die Kraft des Überirdischen gekoppelt. Er trägt den Geist des Universums in sich.
Magier des Lichts
Es besteht also ein ganz klare Anbindung an das Überirdische. Der kräftige Strahl durchströmt ihn vollkommen und viele weitere goldene Strahlen führen von ihm weg. Er trägt also nicht nur das Wissen des Kosmos‘ in sich, er bringt es ebenso in die Welt. Der Magier fügt sich nicht nur der Balance des Lebens, er gestaltet sie mit, indem er den göttlichen Funken weiterträgt und ihn dadurch auf der Erde manifestiert.
Schlussgedanken
Mit der Karte des Magiers kannst du aus dir selbst heraus wirken. Schaue, was in deinem Leben schöpferisch geboren werden soll. Nutze das Wissen, dehne deinen Geist und sei kreativ.
Missbrauche aber deine Fähigkeiten nicht. Je größer die dem Menschen innewohnende Macht, desto stärker die Versuchung, die Macht aus egozentrischen Motiven heraus zu nutzen. Je stärker die Macht eines Menschen, desto klarer aber auch sein Charakter.
Lifehack: Möchtest du das Wesen eines Menschen einschätzen, dann übertrage ihm eine machtvolle Position und du wirst sehr bald erkennen, ob die Person etwas taugt oder nicht.
Um selbst nicht in die Falle zu tappen, sich über Andere zu erheben, ist eine stetige und gründliche Selbstreflexion ratsam.
Ziehen wir zu guter Letzt noch einmal die Verbindung zur numerischen Zuordnung des Magiers, zur Zahl Eins. Die Botschaft ist klar:
Fokussiere dich.
Konzentriere all deine Fähigkeiten und richte sie zielführend aus.
SCHÖPFE!
Bedenke diese letzte Botschaft: Du hast genau EINEN Zauberstab, nicht zwei oder drei – EINEN. Aus diesem Stab geht genau EIN Strahl hervor. Für was soll dieser Strahl stehen? Welche Schwingungen möchtest du auf den Weg bringen? Verzettle dich nicht im Reich der Möglichkeiten, fokussiere dich und erobere die Welt mit deiner erschaffenden Magie.
¹Aleister Crowley (2019), Toth Tarot: Originalausgabe (2. Aufl.).Krummwisch AGM-Urania.
Quellen:
Angeles Arrien (2001), Handbuch Crowley Tarot: Praxisbezogene Anleitung zur Interpretation des Aleister Crowley Tarots (4. Aufl.).Neuhausen/Schweiz Urania Verlags AG. [online: http://rkspiele.de/wordpress/wp-content/uploads/2015/04/Tarot-Hanbuch.pdf. [Stand 05.02.2021]]
docplayer.org: Gerd Ziegler. Tarot: Spiegel der Seele. Handbuch zum Crowley-Tarot. (Stand unbekannt). http://docplayer.org/12116343-Gerd-ziegler-tarot-spiegel-der-seele-handbuch-zum-crowley-tarot.html. [05.02.2021]