Der Tod gehört zu jenen Karten im Tarot, die nicht gerne gezogen werden. Viele fürchten nahendes Unheil und fühlen sich unbehaglich in ihrer Haut. Der Tod jedoch sagt nur äußerst selten einen Unfall oder schlimmere Umstände voraus.
Wenn sich eine Tür schließt, so öffnet sich eine andere.
Ja, wenn du diese Karte ziehst, dann wird sich in deinem Leben vermutlich etwas ändern und das nicht selten auf recht einschneidende Art und Weise. Es wird sich eine Tür schließen und diese Tür ist dann auch wirklich tief ins Schloss gefallen. Jetzt aber nicht in Panik verfallen, denn die neue Tür ist schon offen oder wird es bald sein.
Der Tod im Tarot
Es gibt zig verschiedene Varianten, was sich in deinem Leben ändern könnte. Vielleicht war die letzte Liebesnacht erfolgreich und Nachwuchs ist unterwegs. Es kann sein, dass ein neuer Job auf dich wartet. Vielleicht ist nun mal Schluss mit der Beziehung, die eigentlich schon ewig nicht mehr funktioniert. Oder eine neue Liebe steht auf dem Universum Lieferband.
Was auch immer es sein wird, deinem alten Leben wird ein neuer Anstrich verpasst und garantiert in einer anderen Farbe als zuvor. Der Tod ist ein Übergang und auch wenn es schmerzen kann, es ist an der Zeit sterben zu lassen, was am Leben hindert.
Zwischen Tod und Wiedergeburt
Die Tür zur Vergangenheit schlägt mit einem Knall zu. Die Umstände haben sich gewandelt. Diese Situation kennen wir im Tarot auch vom Turm. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen diesen beiden Karten. Wenn der Turm einstürzt, dann geschieht das meistens wie aus heiterem Himmel. Plötzlich bricht etwas zusammen und wir schauen hilflos zu. Den Tod hören wir heranschleichen, auch wenn wir manchmal wegschauen. Er kommt auf leisen Sohlen und wenn wir ehrlich sind, dann war es meistens längst überfällig.
Der Tod, eine Medaille mit zwei Seiten: Leben und – nun eben Tod. Ein ganz normaler Kreislauf des Lebens. Alles ändert sich stetig und alles ist vergänglich. Auch unser eigenes Wachstum erfordert immer wieder den Tod. Es sterben überholte Werte, Ideen und Konzepte, aus denen wir herausgewachsen sind. Wäre dies nicht so, wäre „Alle meine Entchen“ noch immer unser Lieblingssong und wir würden uns trotzig auf den Boden werfen, wenn wir bockig sind. Ich denke, wir kämen mit diesen Gewohnheiten aus Kindertagen vermutlich jetzt nicht mehr sehr weit.
Alles was uns in unserer Entwicklung bremst, darf sterben. Der Tod schafft Platz, er öffnet neue Räume. Die Blätter fallen im Herbst von den Bäumen, damit neue nachwachsen können. Manche Pflanzen werden radikal zurück geschnitten, damit sie im Frühjahr noch kräftiger und stärker werden. Einige würden ohne diesen Rückschnitt sogar verkümmern.
Umarme den Tod und feiere das Leben
Schau dich um in deinem Leben: Was darf sterben? Was funktioniert nicht mehr und kann über den Jordan gehen? Lass es sterben, damit du Raum für das Leben schaffen kannst.
Vielleicht hast du schon einmal die traurige Erfahrung gemacht, dass ein lieber Mensch gehen musste oder du bist vielleicht selbst schon einmal haarscharf am Tod vorbei geschlittert. Im Angesicht des Todes bäumt sich das Leben auf und zeigt sich mit solch einer Präsenz, dass wir es nicht mehr übersehen können. Plötzlich möchten wir unbedingt nur noch eines, nämlich leben und das so gut es nur geht.
Wir haben dem Tod ins Auge geschaut und das Leben begann zu pulsieren. Sich immer wieder die Sterblichkeit vor Augen zu halten und den Tod nicht zu tabuisieren ist ein wunderbarer Katalysator für das Leben. Wir sollten viel öfter im Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit stehen. Ich bin sicher, wir würden so einiges anders machen in diesem Leben.
La vie de la danse macabre
Mit der Karte des Todes sind wir aufgefordert uns in das Neue fallen zu lassen. Der Tod ist die alte Weise, die Greisin – die Urd, die Cailleach, die Matrona, die Hel, die Baba Yaga und viele weitere Namen, die sie trägt. Sie schneiden die Fäden (ab). Der Tod im Tarot lädt uns zum Danse Macabre, aber sehr selten nur betrifft es das irdische Verglühen – eher steigen wir wie Phönix aus der Asche neu auf, bereit für ein neues, ein anderes Leben und einen erneuten Tod.
Die alte Haut fällt von uns ab, wie bei einer Schlange, auf die wir noch treffen werden.
Die Karte selbst wird auch Macabre genannt, ‚macabre‘ ist das Schwarze, das Makabere. Der ‚Danse macabre‚ ist der Schwarze Tanz, der Tanz des Todes. Im Mittelalter wurde der Danse Macabre in Frankreich oft aufgeführt. Der Totentänzer trug einen Totenkopf, ein Skelettgewand und eine Sense. Er trug oft eine Maske, was mich an die Nordischen SchamanInnen und die Helkappe, die Maske der Hel erinnert. Es handelt sich um eine Zaubermaske, die unsichtbar macht. Mit ihr kann das Reich der Toten passiert werden – noch wichtiger allerdings die Tatsache, dass es mit dieser Kappe auch wieder verlassen werden darf. Es ist erlaubt, in das Leben zurückzukehren. So heißt es doch eigentlich, wer je einen Fuß in Hels Reich setzt, wird nie wieder entrinnen.
Die Todesmaske wurde auch in vielen mysteriösen Kulten und Geheimbünden genutzt. Sie stand dabei meist für den Opfertod durch Initiation. Der Gehängte des Tarots opfert sich. Der Tod ist der Lohn, weil er eine neue Ebene öffnet.
Die Sense des Totentänzers erinnert an die Mondsichel des abnehmenden Mondes, die Zeit der alten Greisin. Die Sichel wird kleiner und kleiner, bis die Nacht vollkommen in tiefes Schwarz versinkt und sich bald wieder eine neue, erwachende Sichel am Himmel zeigt.
Die Dreizehn
Der dreizehnte Mond ist der Mond des Todes und der Erneuerung. Dreizehn Mondumläufe und das Jahr stirbt. Ein neues Jahr wird zur Wintersonnenwende geboren. Die dreizehnte Mondphase, die Zeit der Mōdraniht, ist nicht nur das Ende, sondern auch der Neubeginn. Das Licht, die Sonne erhebt sich aus dem Schoß der Mutter. Die Sonne ist auch auf der Tarotkarte fast immer abgebildet. Sie steht für das Neue nach der Transformation und seinem letzten radikalen Schnitt.
Der Schmetterling schlüpft aus seinem Kokon, die Schlange häutet sich, der neue Same geht auf und der Sprössling erhebt sich. Der Tod wandelt sich in neues Leben.
Das Jahr hat zwölf Monate, die Zwölf ist das stetige Rad der Zeit. Die Dreizehn ist das dahinter Verborgene, die Dunkle, die die Fäden zieht und abschneidet. Sie ist all das, was mit dem normalen Leben nicht greifbar ist.
Der Tod im Waite-Tarot
Wir sehen als Erstes ein schneeweißes Pferd mit einem Schwarzen Reiter, der eine schwarze Flagge mit weißem Emblem trägt. Der Tod scheint auch bei Waite ein Kreislauf aus Leben und Tod zu sein. Die Farbwahl erinnert an Yin und Yang, an Tag und Nacht – Leben und Tod.
Der Reiter schreitet gemächlich dahin.
[…] trägt ein mit dem Wappenbild der Mystischen Rose geschmücktes, schwarzes Banner, denn die Rose ist ein Symbol des Lebens.
Arthur Edward Waite
Der Tod trägt also das Leben ins seiner Hand. Waite sagt auch:
Am Rande des Horizonts strahlt die Sonne der Unsterblichkeit zwischen zwei Säulen hervor.
Oft wird diskutiert, ob diese Sonne auf- oder untergeht. Spielt das eine Rolle? Es ist doch vielmehr so: Wann immer die Sonne am Abend an einem Punkt untergeht, geht sie am Morgen an einem anderen Punkt wieder auf – wann immer sie am östlichen Horizont aufgeht, geht sie auch immer wieder im Westen unter.
Auf dem Bild trägt der Todesreiter keinerlei Waffen. Er reitet auch nicht wütend oder bedrohlich daher. Und doch fallen alle vor ihm auf die Knie: der König, das Kind, die Magd und der Geistliche.
Allerdings begegnen sie alle dem Tod auf die eigene Art.
Der König scheint für das Ego zu stehen. Das Ego fleht den Tod an, es sei zu früh und er sei noch nicht bereit loszulassen. Das Kind jedoch hält Blumen in der Hand. Die Pose ist offen und unbekümmert. Es freut sich über den Todesreiter. Weiß es noch um die Wiedergeburt?
Unser Ego macht jeden Weg schwer. Wir wollen einfach nicht loslassen und halten zu sehr an alten Werten, Mustern, Denkweisen und Konditionierungen fest. Seien wir unbekümmert und frei – offen wie das kleine Kind mit Blumen in der Hand.
Waite erklärte, der Tod sollte als Karte mystisch gedeutet werden:
[der] Eintritt in den Zustand des mystischen Todes, während er noch in diesem Leben verweilt, ist eine Verwandlung des Bewußtseins und ein Übergang in einen Zustand, zu dem der gewöhnliche Tod weder ein Pfad noch ein Tor ist
Es geht um
Wiedergeburt, Schöpfung, Bestimmung und Erneuerung.
Der Tod im Crowley Tarot
Auf der Karte von Crowley ist der Danse Macabre, der Tanz des Todes, sehr ausdrucksstark abgebildet.
Der Tod ist ein schwarzes Skelett im Tanz mit den Fäden des Lebens. Die Lebensfäden symbolisieren das Vergängliche, das abgeschnitten wird. Die Fäden können dabei auch für die Verstrickungen des Lebens selbst stehen, von denen wir uns lösen sollen.
Der Tod trägt die Krone des Totengottes Osiris, welche für Tod und Wiedergeburt steht. Die Beine des Todes sind torförmig geöffnet, der Weg für das Neue ist frei – der Ball kann in das Tor geschossen werden. Blasen steigen im Hintergrund auf. In ihnen blaue Gestalten, die neu erwachendes Leben symbolisieren.
Vier Tiere finden wir auf der Karte: den Skorpion, den Fisch, die Schlange und den Adler. Fisch und Schlange stehen beide für den Tod und die Wiederauferstehung.
Fisch und Schlange waren der Gegenstand der Verehrung in jenen Kulten, welche die Lehre der Wiederauferstehung oder Reinkarnation vertragen.
Aleister Crowley
Den Adler bezeichnet Crowley als „höchsten Aspekt der Karte, der für die Erhöhung der feinstofflichen Materie steht.“ Er ist die Freiheit, die nach der Transformation wartet, welche freiwillig oder auch unfreiwillig geschehen wird. Sie ist ein logischer Prozess, eine Veränderung und das Ergebnis aller bisherigen Lebensumstände.
Der Skorpion erinnert an die wahrhaftige Natur dieses Geschöpfes, vor allem im Zusammenhang mit dem Tod. Es heißt, ein Skorpion sei jederzeit bereit, sich selbst zu töten. Es gibt eine kurze Fabel, die dies widerspiegelt.
Der Skorpion bittet einen Frosch um Hilfe: „Bitte nimm mich auf den Rücken und überquere mit mir den Fluss. Ich muss an das andere Ufer.“ Der Frosch erwidert: „Ich bin doch nicht verrückt, wenn du mich stichst, dann bin ich tot.“ „… wenn ich dich steche, dann sind wir beide tot, denn ich werde jämmerlich ertrinken“, argumentierte wiederum der Skorpion. Nun das ergab Sinn, also nahm der Frosch den Skorpion auf den Rücken. In der Mitte des Flusses sticht der Skorpion zu. „Warum hast du das getan? Nun werden wir beide sterben!“, wehklagte der Frosch. „Ich kann nichts dafür, es liegt in meiner Natur.“
Der Tod ist Teil der eigenen Natur.
Die Karte „Der Tod“ ist dem Tierkreiszeichen Skorpion zugeordnet. Der Skorpion galt häufig als Wächter zu den Toren der Unterwelt. Er ist eine Art Schwelle. Das Tierkreiszeichen erwacht Ende Herbst. Die Sonne steht immer tiefer und kürzer am Himmel, ehe sie im Schützen aufersteht. Alles Leben kehrt in dieser Zeit in die Tiefe zurück, um neuer Nährboden für Mutter Erde zu werden.
Wir können sagen, der Skorpion ist die astrologische Initiation des Todes. Es ist eine Rückkehr zur Quelle. Egal wie das Jahr war, wie gut die Ernte, ob es viele Blüten gab oder wenig – alles kehrt zur Quelle zurück und wandelt sich in neues Leben.
Der Skorpion ist die Bereitschaft des Todes, des Wandels. Die Schlange ist die Häutung, die Transformation und der Adler ist die höhere Perspektive, das Freie mit dem Blick von oben, vielleicht aus einer anderen Sphäre.
Die Sichel, die Sense des Todes ist zum Schnitt bereit. Sie steht auch für die Ernte. Und obwohl es den Tod für die Pflanze bedeutet, so bedeutet es auch das Leben für all die Wesen, welche die geschnittenen Pflanzen verzehren.
Auch bei Crowley steht der Tanz des Todes ganz eng neben dem Tanz des Lebens.
Ein letzter Tanz
Marie Louise von Franz beschrieb in ihrem Buch „Time, Rhythm and Repose“ eines der bereits erwähnten Mysterienspiele mit dem Tod als Protagonist. Reisen wir in die Renaissance. In einem dortigen Spiel wird der Tod von der Zeit begleitet. Die Zeit hat Flügel auf dem Rücken und trägt ein Stundenglas bei sich. Es scheint, die Zeit fliegt dahin.
Der Macabre trägt einen Kerzenlöscher, bereit das Licht des Lebens zu ersticken. In diesem Spiel folgt die Zeit dem Tod.
Im Tarot folgt nicht die Zeit, sondern die Mäßigkeit dem Tod. Sie trägt auch kein Stundenglas, aber sie gießt Flüssiges von einem Gefäß in ein anderes, was sehr an den verrinnenden Sand der Zeituhr erinnert. Der Tod und die Zeit sind beides unbezwingbare Komponenten des Lebens. Die Mäßigkeit, unsere nächste Station der Narrenreise, vermischt die Ebenen miteinander und hält sie somit in Balance.
Quellen:
Walker, Barbara G. (1994), Die Geheimnisse des Tarot – Mythen, Geschichte und Symbolik: Sonderausgabe. Gondrom Verlag.
Crowley, Aleister (2019), Toth Tarot: Originalausgabe (2. Aufl.).Krummwisch AGM-Urania.
Waite, Arthur Edward (01. Januar 1978), Der Bilderschlüssel zum Tarot: Erste Auflage, Urania.
Angeles Arrien (2001), Handbuch Crowley Tarot: Praxisbezogene Anleitung zur Interpretation des Aleister Crowley Tarots (4. Aufl.).Neuhausen/Schweiz Urania Verlags AG. [online: http://rkspiele.de/wordpress/wp-content/uploads/2015/04/Tarot-Hanbuch.pdf. [Stand 16.07.2021]]
docplayer.org: Gerd Ziegler. Tarot: Spiegel der Seele. Handbuch zum Crowley-Tarot. (Stand unbekannt). http://docplayer.org/12116343-Gerd-ziegler-tarot-spiegel-der-seele-handbuch-zum-crowley-tarot.html. [16.07.2021]