Die Kaiserin ist eine Karte der puren Liebe. In ihr finden wir die Kräfte der Venus, der Aphrodite. Sie ist die Herrscherin, die Königin der großen Arkana. Sie ist mal der Morgen-, mal der Abendstern – aber immer strahlend.
Ama vitam.
Liebe das Leben.
Das griechische Pendant der Venus ist die bezaubernde Aphrodite. Sie ist dem Schaum (griechisch αφρός – aphros) des Meeres entstiegen und schöner als jede Göttin und jede Sterbliche. Ihr zu eigen ist ein Gürtel, der alle die ihn tragen unwiderstehlich macht. Unter anderem gab sie diesen Gürtel Paris, damit die schöne Helene seine Liebe erwidert und beschwört damit den 10-jährigen Krieg um Troja herauf. Liebe und Verderben liegen eng beieinander.
In der Interpretation des Tarots anhand der Kabbalah ist der Turm der Schatten der Kaiserin.
Die Kaiserin in der Kabbalah
Im Lebensbaum der Kabbalah gibt es drei Ebenen.
In der obersten Ebene steht die Kaiserin. Ihr Pfad ist der Daleth, der von Binah zu Chokmah führt. Vom Weg des Verstehens zur Weisheit.
Die Kaiserin ist die zweite weibliche Figur im Tarot. Während die Hohepriesterin noch alle Möglichkeiten der Yin-Energie in sich barg, in gewisser Weise über jungfräuliche Kräfte verfügt, ist die Herrscherin gebärend. Sie ist fruchtbar, eine Erden- aber auch Himmelsgöttin.
In der Kabbalah lehrt die Kaiserin, die Natur als eine Einheit anzusehen. Sie erinnert, dass alle Lehren der Natur entspringen.
Sie steht in der Hierarchie des Lebensbaumes auf der obersten der drei Stufen. In der untersten Stufe der Turm, in der Mitte die Kraft. Alles was geboren wird, gewinnt an Kraft und wird doch vergehen. Der Turm der Kabbalah ist daher auch auf Yesod, der Illusion gebaut.
Das Wesen der Kaiserin
Der Begriff der Kaiserin oder auch Herrscherin, wie sie beispielsweise im Rider-Waite Tarot genannt wird, hat etwas unnahbares. Sie verkörpert die matriarchale Macht. Als Karte der Liebe muss sie für sich alleine stehen, wie die Liebe selbst. Das ihr innewohnende Wesen der Liebe umfasst jedoch mehr, als wir wohl im ersten Moment zu deuten wissen.
Für mich ist sie eine Schöpferin, die uns dazu aufruft unsere eigene Schaffenskraft zu wecken und zu nutzen. Sie schöpft quasi aus dem Vollen und das in allen Bereichen. Ihre Energien sind pures Yin, pure Weiblichkeit. Ihre Kraft ist nährend. Sie ist die Lebensenergie im Kreislauf von Leben und Tod mit einer tiefen Liebe zum Leben selbst.
Mehr noch im Rider-Waite als im Aleister-Crowley Tarot ist ihre starke Verbindung zur Natur unverkennbar. Sie sitzt dort vor Bäumen, denen ein Fluss entspringt, der in einem Wasserfall mündet. Zu ihren Füßen wächst goldener Weizen. Sie ist die Erdgöttin, die Gaya des Tarots. Die Granatäpfel auf ihrem Gewand erzählen von der Kraft der Fruchtbarkeit, auch stehen sie für die Wiedergeburt. Neben der Venus ist ihr auch die Erde selbst zugeordnet.
Sie ist jedoch nicht nur eine Göttin der Erde, sie ist auch die Kosmische Mutter. Im Rider-Waite Tarot besteht ihr Diadem aus zwölf Sternen, einer für jeden Tierkreis. Im Aleister-Crowley Tarot zieren diese Sterne ihren Gürtel. Sie regiert über Himmel und Erde und somit über Körper und Geist. Die Kaiserin bringt die Natur und den Kosmos in eine vollkommene, harmonische Verbindung.
… und ihre Schöpferkraft
Auf einigen Decks, wie dem Everyday Witch Tarot ist die Kaiserin als schwangere Frau abgebildet, auf anderen nährt oder trägt sie ein Kind. Das hebt ihren Aspekt als Gebärende und ihre mütterliche Energie hervor. Für das Gebären bedarf es der Fruchtbarkeit.
In ihrer Rolle als Mutter sollte sie nicht nur auf das Gebären eines neuen Lebens beschränkt werden. Das stetig gebärende Hervorbringen in allen Bereichen des Universums ist ein Merkmal ihrer endlosen Schöpferkraft. Natürlich kann die Karte auf eine Schwangerschaft oder auf den eigenen Umgang mit einem Kinderwunsch hindeuten, aber es geht dabei um sehr viel mehr.
Was möchtest du gebären?
Die Kaiserin verkörpert eine allumfassende Fruchtbarkeit. Sie ist nicht nur befähigt, Leben zu gebären, sondern auch gewillt, aus ihren Wünschen und Träumen zu schöpfen. Die Kaiserin ist bereit, sich weiter zu entwickeln, etwas Neues zu kreieren. Das spricht auch für ihre umfassende Kreativität, für die auch die Venus Patin steht.
Aleister Crowley sagt, der Pelikan auf seiner Karte steht für die Große Mutter mitsamt ihrer Nachkommenschaft. Sie steht für die Fülle des Lebens und den Fortbestand des Blutes, welches „alle Formen der Natur miteinander verbindet.“
Was also soll und darf mit der Kaiserin nun endlich das Licht der Welt erblicken?
Ama vitam – Liebe das Leben
Lag die Kraft der Hohepriesterin in unserer Intuition, dem BAUCH-Gefühl, so ist jetzt unser Herz gefragt.
Die Liebe vermag es, unsere Welt komplett auf den Kopf zu stellen. Sie hat eine stark verändernde, positive Kraft.
Plötzlich ist es gar nicht mehr so kalt im Winter, so nass im Regen, so laut, so heiß, so leer.
Erfahren wir die Liebe, so blühen wir auf. Und nein, damit ist nicht nur die Liebe innerhalb einer Liebesbeziehung gemeint, sondern jegliche Form der Liebe – angefangen mit der Selbstliebe.
Die Fähigkeit sich selbst zu lieben, ist die Voraussetzung für die wahre Liebe zu einem anderen Wesen. So ruft die Kaiserin zu eben dieser Selbstliebe auf. Wir dürfen aus dem Vollen schöpfen, das ganze Potential der Liebe erfahren und nicht aus einem Mangel heraus fühlen. Liebe ist kein Brauchen. Wahre Liebe ist frei.
Der Kaiserin ist der Zahlenwert der Drei zugeschrieben. Für die Blut gebärende Liebe bedarf es einem Gegenüber, einer zweiten Drei. So ist es nicht verwunderlich, dass die Verdoppelung der Kaiserin zur Sechs und somit zu den Liebenden führt.
Mit der Liebe darf auch unsere Leidenschaft und unsere Sinnlichkeit erblühen. Es hat seinen Grund, dass die Kaiserin die Karte der Venus ist.
Ama vitam – Liebe das Leben und zwar mit all seinen Facetten. Lebe leidenschaftlich und genieße dein Dasein. Liebe als Frau, als Liebende, als Mutter, als weise Alte. Liebe als Mann deine weiblichen Anteile, nimm dir die Zeit, sie zu erkennen.
Die Kaiserin im Aleister-Crowley Tarot
Er selbst sagt, die Kaiserin sitzt in der Haltung des Salzes, dem inaktiven Prinzip der Natur. Auch der Adler stehe für das alchimistische Salz, welches den Körper repräsentiert und dem Element der Erde zugeordnet ist.
Die dominierende blaue Farbe steht für die Seele und die Weiblichkeit. Das Rot für die Liebe und das Grün für die Natur. Ihre Krone erinnert an die Hohepriesterin. Beiden gemein ist die zunehmende und abnehmende Mondsichel, aber während die Hohepriesterin die Sonne trägt, wird bei der Kaiserin der Reichsapfel gehalten, dessen Kugel für die Erde und dessen Kreuz für die göttliche Anbindung steht. Er symbolisierte die unendliche Macht eines Kaisers, so wie die goldenen Äpfel der Idun den Göttern unendliche Lebenskraft schenkten.
Die Mondsicheln finden wir noch einmal separat in einer harmonischen Diagonalen angeordnet. Hinter der Kaiserin befindet sich ein großer, heller Kreis, welcher ebenfalls für den Mond stehen könnte. Vor allem als Frau – so gemahnt auch der Sternengürtel – sollten wir unserer Verbindung mit den Zyklen des Mondes mehr Beachtung schenken.
Ihre Handhaltung erinnert mich an ein Geben und Nehmen. Sie hält den Lotos, den Crowley als weibliche, passive Kraft versteht. Der Lotos steht auch für die Vollkommenheit und seine vier Spitzen könnten sich auf die vier Ebenen des Seins beziehen: das Mentale, das Emotionale, das Geistige und das Körperliche. Die Entfaltung der Blüte vor dem Herzen bekräftigt den liebenden Aspekt der Kaiserin.
Auf der Karte sind einige Vögel abgebildet. Vögel bringen Botschaften. Der Blick der Kaiserin richtet sich auf eine Taube. Die Taube ist auch ein Attribut der Venus, wie auch der Schwan, der sich unten im Bild findet.
Analog zu den vier Spitzen der Lotosblüte nährt der Schwan vier Schwanenkinder. Der Schwan steht für die Transformation. Sind es also die vier Aspekte unseres Seins, die genährt werden müssen, damit wir uns weiterentwickeln? Vielleicht aber ist es auch als allgemeines Sinnbild für die nährende Kraft der Kaiserin gedacht.
Der doppelköpfige Adler auf dem Schild der Kaiserin steht ebenfalls für den Wandel und stützt die These, dass die transformierende Kraft aus den vier Aspekten des Seins hervorgeht.
Auf den Gewändern der Kaiserin sind Bienen zu erkennen. Crowley selbst verbindet sie mit den „fleur de lys“, den Lilien. Der Nationalheiligen Jeanne d’Arc wurde ein blaues Wappen mit zwei Lilien verliehen. Ihre Familie erhielt den Namen „de Lys“. Die Fleur de Lys ist das bekannteste Symbol der französischen Monarchie und auch im alten französischen „Marseiller Tarot“ zu finden. Napoleon erließ die Anweisung, die Lilien durch Bienen zu ersetzen. Dieses Attribut der Unsterblichkeit und auch der Wiedergeburt wurde sein persönliches Emblem. Auch im alten Ägypten waren die Bienen ein Wappentier. Crowley verband die Symbole seines Thoth-Tarots vor allem auch mit denen des alten Ägyptens.
Die Lilie selbst findet sich am unteren Rand der Karte.
Die Botschaften der Kaiserin
Mit der Karte kommt die Transformation. Die treibende Kraft ist die Power der Liebe, einer weisen allumfassenden Liebe. Betrachte den Wert der Liebe in deinem Leben, der Liebe zu Dir selbst, aber auch zu anderen Wesen.
Als Erdenmutter ruft die Kaiserin dazu auf, sich mit der Natur zu verbinden und aus ihrer Fülle zu schöpfen.
Betrachte deine eigene Rolle als Frau und/oder die Aspekte deiner Weiblichkeit. Die Karte kann auch dazu aufrufen, dein Verhältnis zu deiner Mutter zu hinterfragen oder deine eigene Mutterrolle zu erkennen. Der Aspekt der Mutter findet sich nicht nur im Gebären der Nachkommen, sondern spiegelt auch allgemein die Frage wider, was das Licht der Welt erblicken soll. In diesem Zusammenhang können auch die Bande zu anderen Frauen in deinem Leben betrachtet werden.
Sei in deinem Leben nicht nur mit dem Verstand, sondern vor allem auch mit dem Herzen präsent. Gestalte dein Leben sinnlich, erfahre es mit deinen Sinnen. Sei kreativ und leidenschaftlich. Ergreife die Initiative und fürchte dich nicht vor dem Unbekannten. Im Verborgenen können laut Rider-Waite auch Probleme lauern, die es zu bewältigen gilt.
Schöpfe aus der Fülle! Erkenne die Schönheit in allem und Glückseligkeit wird dein Herz erobern. Laut Crowley kann dies auch ausschweifen und in purer Verschwendung münden.
Aus der Karte spricht die pure Freude und Lust am Leben. Erkenne dein Potential, fördere dein eigenes Wachstum und nähre stets dein Selbst.
Quellen:
Crowley, Aleister (2019), Thoth Tarot: Originalausgabe (2. Aufl.).Krummwisch AGM-Urania.
Waite, Arthur Edward (01. Januar 1978), Der Bilderschlüssel zum Tarot: Erste Auflage, Urania.
Angeles Arrien (2001), Handbuch Crowley Tarot: Praxisbezogene Anleitung zur Interpretation des Aleister Crowley Tarots (4. Aufl.).Neuhausen/Schweiz Urania Verlags AG. [online: http://rkspiele.de/wordpress/wp-content/uploads/2015/04/Tarot-Hanbuch.pdf. [Stand 19.02.2021]]
docplayer.org: Gerd Ziegler. Tarot: Spiegel der Seele. Handbuch zum Crowley-Tarot. (Stand unbekannt). http://docplayer.org/12116343-Gerd-ziegler-tarot-spiegel-der-seele-handbuch-zum-crowley-tarot.html. [19.02.2021]