Die Zeit der Rauhnächte ist eine mystische Zeit. Die Tore zur Anderswelt sind weit geöffnet, davon waren unsere Vorfahren fest überzeugt. Kannst du es in diesen Tagen auch spüren? Beobachte einmal die Tiere ganz genau, denn sie können es auf jeden Fall. Sie sind unruhig, denn die Wilde Jagd fegt durch die Nacht.
Wir haben in der Rauhnachtszeit eine sehr gute Verbindung zu unseren Ahnen, aber nicht nur für sie sind die Tore nun besonders durchlässig. Alle möglichen Wesen übertreten die Grenzen – Götter und Geister, Hexen und Walküren, Odin und sein Heer, Frigg und allerlei Tiere der Ober- und der Unterwelt.
Die Wilde Jagd erhebt sich in die Lüfte
Odin selbst ist es, so erzählen die alten Geschichten, der den toten Seelen, den Geistern und Tieren, die Tore öffnet. Sie alle dürfen in den Rauhnächten als Wilde Jagd ihr Unwesen treiben.
Sie ziehen in den Nächten der rauhen Zeit los und stürmen durch die Nacht.
Odin auf Sleipnir, seinem achtbeinigen Schimmel, treibt die Wilde Jagd voran, das geisterhafte Gefolge ihm hinterher. In manch einer Nacht ist Frigg, die Gemahlin des Gottes, an seiner Seite.
Frigg war lange Zeit nur im hohen Norden unter diesem Namen bekannt. Als eine Zeit begann, als sie nicht mehr genannt werden sollte, überlebte sie im Märchen als die allseits bekannte und beliebte Frau Holle. Im Süden Deutschlands und Teilen Österreichs kennen wir sie als Percht(a).
Die Schicksalsfäden
Sowohl Frau Holle als auch die Göttin Frigg besitzen eine Spindel. Viele Sagen berichten davon. Mit dem Spinnrad spinnen sie die silbernen Fäden des Schicksals. Diese Schicksalsfäden weben das Wyrd, das Schicksal der Menschen, so wie auch die drei Nornen unser Schicksal bestimmen.
Während die Nornen aber alle Zeit weben, steht das Spinnrad der Frigg in den Rauhnächten still. Kein Rad soll sich drehen, so der Volksmund über die Rauhnachtszeit – alle Arbeit hat zu ruhen.
Die sonst zu jeder Zeit tugendhafte Göttin Frigg alias Frau Holle alias Perchta lässt mit der Spindel ihre Grundsätze ruhen. Ist sie sonst eher fast schon brav und bieder, so holt sie nun die Peitsche hervor, mit welcher sie wild schwingend Odin auf der Wilden Jagd begleitet.
Menschen fürchteten die Wilde Jagd
Mit Odin fliegen zahlreiche Raben, auch seine zwei treuesten Begleiter – Hugin und Munin, welche Odin jeden Tag aus der Welt der Menschen, dem Reich Midgard, berichten.
Am Nachthimmel erklingt auch das Klagegeschrei der Walküren. Die Rosse wiehern und die Wölfe jaulen.
Die Menschen fürchteten die Wilde Jagd und räucherten Haus und Hof, um die toten Seelen wieder zu vertreiben. In einigen Gegenden, vor allem in Süddeutschland, zogen die Menschen laut lärmend durch die Lande. Zumeist trugen sie gruselige Masken, welche dem Bösen Angst einjagen sollte.
Vor allem im alpinen Raum herrschten in der Winterzeit von jeher starke, tosende Stürme. Diese schürten die Angst der Menschen vor den dunklen Wesen nur noch mehr und verstärkten so den Glauben an die Wilde Jagd. In diesen Gegenden werden noch heute die sogenannten Perchtenläufe durchgeführt.
Diese Perchtenläufe demonstrieren den Sieg über die bösen, die dunklen Mächte. Peitschen knallen laut, Böller werden entzündet und Glocken läuten. Ein Heidenlärm wird veranstaltet, um das Böse zu vertreiben und Krankheit und Tod von den Mensch und Tier fernzuhalten.
Frau Holle – Die Schutzpatronin der Rauhnächte
In den Gegenden der Alpen entspricht Frau Holle der Wintergöttin Perchta (Berchta), welche den Perchtenläufen ihren Namen gibt.
Wir alle kennen Frau Holle aus dem beliebten Märchen der Gebrüder Grimm. Eine strenge, aber gerechte Frau, die es gar nicht mag, wenn jemand faul in den Tag hinein lebt.
Sie ist die Schutzpatronin der Rauhnächte.
Nutzlosigkeit ist ihr zuwider. Sie bestraft die Faulen, die fleissigen, achtsamen Menschen hingegen belohnt Frau Holle reichlich.
Frau Holle steht auch für Sauberkeit. Es ist daher besonders vor den Rauhnächten wichtig, Haus und Hof auf die Rauhnachszeit vorzubereiten. In den sogenannten Sperrnächten (auch Dunkelnächte genannt) wird alles weggesperrt und aufgeräumt, was nun nicht mehr benötigt wird. Haus und Hof werden geputzt, so dass in den Rauhnächte (fast) alle Arbeit wirklich ruhen kann.
Die Menschen sollen sich in der Rauhnachtszeit erholen und sich voll und ganz auf ihr Innerstes besinnen und somit zum Wesentlichen zurückkehren. Sie sollen Zeit füreinander haben, sich die alten Geschichten erzählen, gemeinsam das Feuer hüten und die Gemeinschaft stärken – einfach mal auch Zeit haben.
Übrigens: Frau Holle liebt kleine Geschenke, wie zum Beispiel ein Stück Kuchen, Gebäck oder ein Brot, welches wir ihr hinstellen können. Diese kleinen Geschenke, so waren die Menschen fest überzeugt, würden sie gnädig stimmen und so ist Frau Holle dann gerne bereit, im nächsten Jahr so manchen innigen Wunsch zu erfüllen.