Skadi, die Göttin aus dem Reich der Riesen wird anders als Frigg oder Freyja eher den dunkleren Gottheiten der nordischen Mythologie zugeordnet. Sie ist die Tochter des Jöten Thjazi – ein mächtiger Riese der alten Zeit.
Skadi – sprich: Skaddi
Woher kommt Skadi?
Interessant bei den Nachforschungen über diese beeindruckende Göttin war unter anderem die Tatsache, dass ihr Name keineswegs weiblich ist. Ihr Name „Skadi“ ist maskulin, das feminine Pendant wäre „Skada“. In einem Teil der Lieder-Edda, der Völsunga saga ist der Name Skadi auch direkt mit einem Mann verbunden.
Ein anderer Mann wird in der Geschichte erwähnt, der Skadi hieß, er war mächtig, stark und tüchtig, …
Es sind recht wilde Theorien im Umlauf, so sei die Göttin einst der Mann von Nerthus gewesen und wandelte sich zur Göttin, als aus Nerthus der Gott Njörd wurde. Zugegeben etwas verwirrend und zum heutigen Stand der Forschung wohl eher pure Spekulation als Gewissheit. So ist schon allein die enge Verbindung zwischen Nerthus und Njörd anzuzweifeln. Derzeit wird Nerthus als eigeständige Gottheit betrachtet, die Parallelen zu Frau Holle/Frigg aufweist und vielleicht eine frühere Form dieser Gottheiten sein könnte.
Ihr Vater der Riese
Thjazi, der mächtige Jöte ist der Vater der Skadi. Von ihm ist so manches bekannt.
Er entführte Idun, die Hüterin der goldenen Äpfel. Sie ist die Göttin der Unsterblichkeit. Aber beginnen wir von vorne. Der Riese Thjazi entführte Loki. Es wurde ein Deal ausgehandelt. Loki solle dem Riesen die schöne Göttin Idun samt ihrer Äpfel ausliefern und wäre alsbald wieder auf freiem Fuß. Loki ließ sich natürlich, wie es seine Art ist, auf diesen Handel ein. Er spürte aber schon bald die Wut der Götter in seinem Nacken. Diese begannen plötzlich zu altern, da sie keinen Zugriff mehr auf die Äpfel der Idun hatten, welche Unsterblichkeit schenkten. Sie waren wütend auf Loki und hatten Angst vor ihrer plötzlichen Sterblichkeit. Sie zwangen Loki, die Göttin Idun samt ihrer goldenen Äpfel zurückzuholen.
Der listige Loki wandelte sich mit Freyjas Gewand des Falken in selbigen und flog zum Reich des Riesens. Dort wandelte er die entführte Göttin in eine Nuss, nahm sie mit sich und flog mit ihr schleunigst zurück nach Asgard, wo die Götter schon warteten. Der Riese war außer sich vor Wut, ward er doch um seine Beute betrogen. Er wandelte sich in einen Adler und nahm die Verfolgung auf. Loki entkam nur knapp. Die Asen verbrannten dem Adler die Flügel und töteten so den Vater der Skadi.
Die Wut der Skadi
Skadi begriff schnell, dass da mit ihrem Vater etwas nicht stimmte. So tritt sie in den alten Geschichten als Erstes in der Rolle einer Kriegerin auf. Mutig und wild entschlossen tritt sie den Göttern entgegen. Bewaffnet von Kopf bis Fuß und die Rüstung stolz tragend, ist sie bereit für einen Kampf mit den Asen. Sie möchte nur eines, den Tod des Vaters rächen. Ihr Antlitz ist düster, zürnend und finster.
Die Götter boten ihr eiligst Reichtümer an, eine Art Wergeld, aber sie lehnte diese Form der Auslöse kategorisch ab. Skadi hatte anderes im Sinn. Sie hatte längst einen Blick auf Baldur geworfen, den Schönsten der Götter. Sie verlangte einen Ehemann und sie verlangte außerdem, dass man sie zum Lachen brachte. Noch heute hört man wohl das Aufatmen der Götter, so schwer erschien die Aufgabe auf den ersten Blick nicht. Aber auch sie stellten eine Bedingung: Sie solle den Ehemann anhand der nackten Füße aussuchen. Skadi willigte in den Handel ein.
Skadi und ihr Platz bei den Asen
Skadi begutachtete die nackten Füße und suchte das schönste Paar von allen aus. „Nur Baldur könne solch schöne Füße haben“, dachte sie sich und irrte. Nicht die Füße des Schönlings hatte sie erwählt, sondern die des Njörd, dem Gott des Meeres. Na das konnte ja heiter werden. Sie, eine Göttin der Berge, solle ans Meer. Die Vorstellung gefiel Skadi so gar nicht und trug wirklich nicht zur Besserung ihrer Wut bei. Noch aber war nichts verloren, denn zum Lachen war ihr noch lange nicht zumute.
So ward die zweite Bedingung schwerer zu erfüllen, denn Skadi zum Lachen zu bringen, das schien schlichtweg aussichtslos. Loki war es, der die Situation rettete. Er band den Bart einer Ziege um seine Hoden und beide liefen vor Schmerzen schreiend kreuz und quer. Schlußendlich fiel Loki vor Skadi auf den Boden und endlich lachte diese aus vollem Herzen.
Das Eis war gebrochen, aber zu Loki blieb das Verhältnis auf ewig -nennen wir es mal „schwierig“. Schließlich war er der Hauptauslöser für den Tod des Vaters. Das Verhältnis zwischen Skadi und Loki sollte im Kern für alle Zeit vergiftet sein und Gift ist es auch, welches Skadi einst ihre Rache versüsst. Dazu aber später mehr.
Skadi und Njörd – Chance auf Liebe?
Mitnichten lässt sich hier von Liebe sprechen. Skadi war angenervt von Njörd, seine Haut war alt und rissig, er roch nach Salz. Stetig am Meer zu leben, war für Skadi unerträglich. So beschloss das ungleiche Paar, je neun Tage am Meer und neun Tage in den Bergen zu verbringen.
Njörd konnte das Reich der Skadi, die eisige Halle Thryheims, nicht ausstehen. Ihn nervte das Geheul der Wölfe, der Anblick der Berge, des Eises und des Schnees. Skadi indes mochte das Heim des Njörd nicht. Sie hatte keinen Bezug zum Meer, der Hafen bei Noatun nervte sie. So wurde das Leben für beide unerträglich und sie beschlossen, fortan getrennte Wege zu gehen.
Skadi – Eine Göttin des Winters
Sie entstammt direkt dem Geschlecht der Frost- und Bergriesen. Das älteste Skaldengedicht berichtet von ihr. Es handelt sich um Ragnarsdrápa von Bragi dem Alten. Dort ist Skadi die öndurdis, die Schneeschuh-Frau. Auch Snorri erwähnt die Göttin in seinen Erzählungen:
Þrymheimr heitir inn sétti, er Þjazi bjó, sá inn ámátki jötunn; enn nú Skaði byggvir, skír brúðr goða, fornar tóptir föður.
„Thrymheim heißt die sechste (Halle), wo Thiassi hauste, jener mächtige Jote. Nun bewohnt Skadi, die scheue Götterbraut des Vaters alte Veste.“
Sie läuft viel Ski, oft den Bogen in der Hand und erlegt Wild; sie heißt Skigöttin (oder Scheeschuh-Göttin) oder Ski-Dise (oder Schneeschuh-Dise), erörtert Sturluson:
„Ferr hon mjök á skiðum ok með boga ok skýtr dýr; hon heitir öndurgoð eða öndurdís.“
„Schneebedeckte Berge sind ihr Zuhause, Eis und Kälte ihre Elemente.“ So liegt es nahe, sie als Göttin des Winters zu sehen. Teils wird auch vermutet, dass der Name Skandinaviens auf die Göttin zurückzuführen ist. Skadin-awjo – die Insel der Skadi. Das lässt sich weder belegen noch abstreiten. Es bleibt vorerst ein Geheimnis. Allerdings erkennt man an den vielen Ortsnamen im hohen Norden, die einen Bezug zu Skadi haben, dass sie als Göttin einst hoch verehrt war.
Weitere Aspekte der vielseitigen Göttin
Skadi ist nicht nur eine Wintergöttin. Manche Historiker sehen in ihr auch das Wesen einer Todesgöttin. Diese Theorie findet sich unter anderem in dem Werk von Franz Rolf Schröder „Skadi und die Götter Skandinaviens“. Er begründet es damit, dass sie ja nicht lachen könne und die Toten nach nordeuropäischem Volksglauben nicht mehr in der Lage seien zu lachen. Ich finde die Theorie etwas weit hergeholt, zudem es Loki ja schaffte, ihr ein herzhaftes Gelächter zu entlocken. Der Vollständigkeit halber sei es jedoch erwähnt.
Plausibler ist es, dass Skadi als eine Schützerin der Sippe gilt. Familienbande sind ihr wichtig. In dieser Funktion als Disin gründete sie wohl auch mit Odin eines der berühmtesten, menschlichen Herrenhäuser, aber dazu kommen wir gleich. Bindungen und Treue sind der Göttin heilig. Arbeitest du mit dem nordischen Pantheon, so kannst du sie anrufen, wenn es um den Schutz deiner eigenen Sippe geht.
Ihr Auftritt als Kriegerin fügt der Göttin den Aspekt der Rache hinzu. So wird sie mitunter als Rachegöttin angesehen, nun – wirklich ausgeübt hat sie ihre Rache indes nicht, wenngleich sie es später bei Loki nicht versäumte, dies nachzuholen.
Sie ist eine starke Göttin der Frauen, vor allem der unabhängigen Frauen. Sie steht für die Selbstverantwortung. Vor allem Frauen, die in „typisch männliche Bereiche“ vordringen behütet die Macht der Göttin.
Skadi ist eine Göttin der Jagd und auch der Wildtiere, sie ist gerecht und handelt wohl bedacht. Dies hat sie bewiesen, als sie in der Lage war, ihre Rache auszusetzen und auf die Angebote der Götter einzugehen. So wird sie teils auch als Göttin der Gerechtigkeit gesehen.
Sie kann aber auch anders.
Die Göttin und ihr gespaltenes Verhältnis zu Loki
Loki ist der Gauner unter den Göttern. Er treibt seinen Schabernack stets zu weit und eines Tages hat selbst er den Bogen überspannt. Loki war es, der mit einer List den Tod des Baldurs verursachte. Die Götter sind derart erzürnt, dass sie ihn jagen, ergreifen und letztendlich fesseln. In einer Felsenhöhle lag der listige Gott nun angekettet.
Skadi sah den Moment ihrer Rache gekommen. Über Lokis Kopf hing sie eine Giftschlange, deren Gift unaufhörlich auf ihn niedertropfte. Sigyn, die Frau Lokis wich ihm nicht von der Seite. Mit einer Schüssel fing sie das Gift auf. Immer wieder aber füllte sich die Schüssel und musste geleert werden. Nun traf das Gift und es gab für Loki kein Entrinnen, der Schmerz ließ ihn so heftig zusammenfahren, dass die Erde erzitterte. So sollen die Erdbeben in die Welt Midgards gekommen sein.
Loki war es also, der Skadi zum Lachen brachte. Loki war es auch, der in der Lokasenna (Lokis Zankreden) berichtet, dass er mit Skadi das Bett teilte. Er prahlt zwar gerne, aber Skadi hat dies auch nie bestritten. Und doch! Skadi konnte ihm nie verzeihen, dass auch Loki es war, der ihren geliebten Vater in den Tod führte.
Skadi und der mächtige Odin
Bei Snorri ist zu lesen, dass die Wintergöttin viele Söhne mit dem großen Odin zeugte. Freilich nachdem sie sich von Njörd getrennt hatte. So sei einer dieser Söhne Sæming, der Stammvater der Jarl von Hladir. So steht es im Skaldengedicht Háleygjatal. Odin selbst habe ihn zum Herrscher über Norwegen ernannt. Dies geschah im 3. Jahrhundert unserer Zeit. Säming, gleich seiner Mutter, war ein guter Skifahrer, ein geschickter Jäger und von tapferem Gemüt. Mehrere Generationen dieses Heldengeschlechts hielten gegen die königlichen Versuche einer Bekehrung stand. Eisern hielten sie gegen jeglichen Widerstand am norwegischen Heidentum fest.
Neben der Wintergöttin ist nur von einer weiteren Göttin bekannt, dass aus ihr ein Menschengeschlecht hervorging, der Göttin Gerd. Allein dieser Aspekt zeigt die Wichtigkeit der Göttin auf und macht deutlich, wie eng ihr Bezug zu den Menschen einst war.
In der heutigen Zeit ist sie etwas in Vergessenheit geraten und außerhalb der nordischen Landen kaum noch bekannt. Möge sich dies ändern.
Titelbild
Model: Frau Pepper
Fotograf: Frank Pfitzmann