Angst versus Furcht
Streng genommen gilt es zwischen der Angst und der Furcht zu unterscheiden.
Ängste entstehen aus uns selbst heraus. Sie wirken also von innen. Die Angst ist ein diffuses Gefühl. Sie entsteht durch unsere Gedanken und Emotionen und ist im Prinzip gegenstandslos, also nicht auf eine konkrete Gefahr gerichtet.
Die Furcht entsteht durch die Außenwelt, sie ist auf eine bestimmte Situation oder ein konkretes Objekt gerichtet. Sie ist also nicht gegenstandslos, sondern liegt gezielt einer realen äusseren Gefahr zu Grunde.
Im heutigen allgemeinen und inzwischen auch häufig wissenschaftlichen Sprachgebrauch wird diese Unterscheidung nur noch selten getroffen.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der inneren nicht direkt konkretisierten Angst, welche jedoch oftmals in einem Moment der Furcht ausgelöst wurde.
Die antrainierte Angst
Hast du Angst vor deinen eigenen Fehlern? Davor, falsche Schritte zu gehen und zu scheitern. Angst, von anderen Menschen kritisiert zu werden? Die Angst, enttäuscht zu werden, wenn du dich einem anderen Menschen öffnest? Angst, in die Armut zu rutschen, wenn du aus dem Hamsterrad springst und versuchst, eigene Wege zu gehen? Hast du Angst, falsche Entscheidungen zu treffen und dadurch dir wichtige Menschen vor den Kopf zu stoßen oder gar zu verlieren?
Falls es so ist, bist du damit nicht allein.
Reisen wir einmal zurück in unsere Kindheit
Es beginnt mit Kleinigkeiten.
„Lege das Messer weg, sonst schneidest du dich.“
„Setze dich nicht auf den kalten Boden, sonst bekommst du Hämorrhoiden.“
„Sei artig, sonst kommt der Weihnachtsmann nicht.“
„Trink deine Milch, sonst wirst du nie groß und stark.“
Es gibt tausende Beispiele dieser Art, in denen uns von klein auf Gefühle der Angst suggeriert werden. Wir vertrauen, zumindest eine zeitlang, den Erwachsenen und nehmen ihre Warnungen ernst. Wir verinnerlichen all die Gefahren, die auf uns in dieser Welt lauern und kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht einen dieser Sätze hören.
Es sind keine großen Dinge, aber sie generalisieren eine allgemeine Angst in uns. Je öfter uns gesagt wurde, dass wir dieses und jenes nicht tun dürfen, weil dann dies oder das geschieht, um so stärker ist ein generelles Muster der Angst in uns angelegt.
Wir gehen mit weniger Mut durch das Leben, probieren seltener Dinge einfach aus. Zum Teil bietet diese Angst uns Schutz vor Risiken, die wir eventuell einfach unterschätzen würden. Im Großen und Ganzen aber lähmt uns diese Angst und raubt unserem Leben eine Menge Eigendynamik, Urvertrauen und das Gefühl einer allumfassenden Geborgenheit.
Das hinterlistige Spiel mit unseren Ängsten
Bewusst oder unbewusst lösen die Menschen untereinander Ängste aus. Die Eltern gegenüber ihren Kindern. Lehrer gegenüber ihren Schülern. Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern, der Staat gegenüber seinen Bürgern. Als wäre dies alles nicht schon genug, so werden Ängste auch häufig zwischen zwei oder mehreren Individuen geschürt.
Das Kind fürchtet sich vor dem Entzug der Liebe der Eltern, wenn es sich nicht angemessen verhält. Es gibt eine Menge Regeln, denen wir uns als Kinder zu unterwerfen haben. Werden diese Regeln nicht befolgt, so haben wir mit Strafen zu rechnen. Wir lernen, dass unser Handeln Konsequenzen hat. Das ist erstmal nicht weiter schlimm, aber wir lernen auch, dass unser Handeln nicht frei ist. Es ist nicht mehr UNSER Handeln, sondern das angepasste Handeln an Menschen, zu denen wir uns in einer Abhängigkeit befinden.
Wir sind vom Wohlwollen der Eltern, Lehrer, Arbeitgeber, des Staates, selbst unserer Freunde und Partner abhängig. Wir möchten geliebt werden und nicht verstoßen. Wir wollen keine Strafen in der Schule erhalten, nicht unseren Job verlieren, wenn wir zu angepasst sind. Wir möchten unseren Partner nicht verärgern und riskieren, dass er uns verlässt. Wir wollen auch unsere Freunde nicht vor den Kopf stoßen, weil wir den Verlust sozialer Kontakte fürchten.
Unser Leben ist in vielen Punkten von der Angst geleitet
Mal ehrlich: Wieviele Entscheidungen in deinem Leben hättest du vielleicht anders getroffen, wenn dir nicht die Angst im Nacken gesessen hätte?
Ich vermute, da kommt einiges zusammen.
Angst spielt eine immens wichtige Rolle in unserem Leben. Wir schließen Versicherungen ab, weil wir Angst haben, dass uns etwas zustoßen könnte. Wir spüren innere Widerstände bezüglich unserer Arbeit in uns und gehen doch Tag für Tag wieder dorthin, weil uns die Angst lähmt, dass wir unseren Job verlieren könnten und unsere ganze Existenz zusammenbricht. Wir halten den Mund, wenn wir Unrecht sehen, weil wir Angst haben, dass wir ausgelacht werden könnten. Wir sprechen interessante Menschen nicht an, weil wir Angst haben, dass sie uns zurückweisen könnten. Die Frau mit den kleinen Kindern, die ihren Mann nicht mehr liebt, aber ihn nicht verlässt, weil sie Angst hat, es als Alleinerziehende nicht zu schaffen. Der ruhige Typ in der coolen Clique, der den Blödsinn einer Aktion erkennt, aber aus Angst ausgestoßen zu werden, trotzdem mitmacht.
Ich möchte die Angst nicht generell verteufeln, denn im Grunde genommen ist sie eine wirklich sinnvolle Angelegenheit. Sie beschützt uns in den Fällen, in denen sie wirklich angebracht ist. Die Angst wird jedoch zu einem wahrhaftigen Problem, wenn wir ihr viel zu viel Raum geben. Die Angst, die unser Leben einschränkt, die uns übervorsichtig werden lässt und uns davon abhält, auch mal ein Risiko einzugehen, diese Angst ist Gift für unsere Lebensqualität.
Wann hast du das letzte Mal etwas riskiert in deinem Leben?
Mal ehrlich: Wie lange ist es her, dass du in deinem Leben wirklich etwas getan hast, dessen Risiken du nicht abschätzen konntest. Ich meine damit nicht, mal eine orange statt einer grauen Krawatte tragen oder das wirklich exotisch klingende Gericht bei einem Asiaten auszuprobieren.
Ich rede von einem Wagnis, einem inneren Wunsch, dessen Erfüllung mit Risiken behaftet ist.
Wann bist du das letzte Mal einfach ins kalte Wasser gesprungen? Wie lange ist es her, dass du voller Mut über deinen eigenen Schatten springen musstest?
Wann hast du gesagt: „Verdammt ich habe Angst, aber hey ich mache das jetzt trotzdem!“? Einfach, weil es wichtig für dich ist.
Die neuen Ängste der jetzigen Zeit
Als wäre dies alles nicht schon hemmend genug für uns unser Leben, so schleichen sich dieser Tage neue Ängste ein. In unserer Welt brodelt es an allen Ecken und Kanten. Die Medien sind voller furchteinflößender Ereignisse und sie schüren die Glut der Angst durch die Art und Weise ihrer Berichterstattung bis sie zu einem alles niederbrennenden Feuer aufflackert.
Attentate finden statt, sie kommen unserer eigenen Haustür näher und die Menschen fürchten sich. Allerorts lese ich von den Ängsten: „Was soll das noch werden?“, „Was passiert mit unseren Kindern?“, „Ich traue mich gar nicht mehr auf die Straße.“, „Ich habe Angst vor Krieg.“
Die Zeiten sind beängstigend, keine Frage.
Wie aber möchten wir leben? Wollen wir ein Leben in ständiger Angst führen? Möchten wir uns einschränken lassen und uns aus Angst vor Terror verkriechen?
Stelle dir einmal dein Leben vor und gehe weit voran, bis an dessen Ende. Möchtest du ein Leben voller verpasster Gelegenheiten geführt haben? Ist das überhaupt ein wirkliches, wahrhaftiges und sinnerfülltes Leben, wenn es von der Angst diktiert wird?
Im zweiten Weltkrieg pflegten viele Berliner auszugehen. Mitten im Krieg wurden verbotene Clubs besucht und sich die Füße wund getanzt. Der Berliner sagte einfach lapidar: „Nüscht zu fressen, Hauptsache Kultur.“ Der Hunger nach Leben war bei vielen Menschen größer als die Angst.
Wie groß ist dein Hunger auf das Leben?
Wir haben die Wahl! Wir müssen uns nicht von der Angst leiten lassen. Niemand dieser politischen Strippenzieher kann uns verbieten, Freude und Liebe in unser Leben zu bringen.
Tag für Tag suggerieren sie uns ein, dass die Welt wahrlich ein Ort zum Fürchten ist. Ja, vielleicht ist sie das! Nur, wir leben! Wir haben Wünsche, Träume und Hoffnungen. Wir sehnen uns nach Freude, wir wollen Liebe in unseren Herzen und keinen Hass.
Lassen wir einfach nicht zu, dass unsere Herzen sich verschließen und wir verbittern. Auf diesem Weg wurde noch nie etwas gewonnen auf dieser Welt.
Blicke deinem „Worst Case“ ins Gesicht
Es lohnt sich, die eigenen Ängste zu überwinden!
Angst lähmt nicht nur unseren Verstand, sie lähmt auch unsere Handlungen und stiehlt unsere Freiheit. Zudem kostet sie uns unwahrscheinlich viel Kraft. Sie raubt unsere Energie und saugt unsere Lebensfreude förmlich aus uns heraus.
Ängste sind die Zerstörer deiner Träume. Wo Angst lebt, kann keine Liebe gedeihen. Sie bremst uns aus, sie hindert uns daran, mit Begeisterung am Fortschritt des Lebens teilzunehmen. Sie ist Ursache vieler psychischer Krankheiten und raubt uns des Nächtens den Schlaf.
Die Angst steht wie ein unüberwindbarer Dornenbusch zwischen uns und unserem wahrhaftigen Leben. Sie entzieht dir dein Selbstbewusstsein und schubst dich in ein Schattendasein.
Nicht fehlendes Geld, mangelnde Beziehungen, ungünstige Voraussetzungen oder in den Weg gelegte Steine sind das größte Hindernis in deinem Leben. Es ist die Angst, die dich lähmt. Das kleine Teufelchen auf deiner Schulter, welches flüstert: „Mach das lieber nicht.“
Schnippe es weg!
Wir haben vor vielen Dingen Angst, die oftmals nicht einmal eintreten. Klopft das nächste Mal die Angst an deine Tür und zappelt das Teufelchen nervös auf deiner Schulter hin und her, dann tue doch einmal folgendes:
Stelle dir den Worst Case vor, den schlimmsten anzunehmenden Zustand, der eintreten könnte. Was ist das Maximalste, das dir passieren könnte. Schließe deine Augen und gehe genau in diese Angst hinein. Male dir in deiner Fantasie alles aus, was dir nur dazu einfällt. Erlebe diese Angst wie in einem Film, immer wieder und immer wieder. Höre erst damit auf, wenn die Angst davor sich komplett in dir aufgelöst hat. Die erwartete Angst ist oftmals viel größer, als die wirklich reale Angst es je sein könnte. Stelle dich ihr und sie wird sich verflüchtigen.
Hast du diesen Punkt erreicht, dann handle entschlossen. Warte nicht damit, Entscheidungen zu treffen, sondern beginne, zu agieren: Schnell und intuitiv. Sei nicht unentschlossen. Die Unentschlossenheit ist ein guter Freund der Angst. Wer zu lange in Unentschlossenheit verharrt, der wird auch bald von der Angst heimgesucht werden. Warte also nicht zu lange, sondern beginne einfach mit all den Dingen, die du wirklich möchtest.
Angstkiller: Entspannung
Eine weitere Möglichkeit der Angst den Kampf anzusagen ist es, ein entspanntes Leben zu führen oder bei auftretenden Ängsten direkt in die Entspannung zu gehen. In einem entspannten Zustand sind wir nicht in der Lage, Angst zu empfinden.
Es gibt verschiedene Methoden der Entspannung. In den klassischen Verfahren werden dir konkrete Hilfestellungen geboten, die du direkt anwenden kannst, sei es durch Progressive Relaxation, Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion oder Autogenem Training. Des Weiteren bieten dir dauerhaft angewendete nichtklassische Verfahren wie Yoga oder Meditation, eine stabile Grundlage für die Entspannung und somit bilden sie eine gesunde Basis für ein glückliches und sorgenfreies Leben.
Entfalte dich selbst
Menschen, die von vielen Ängsten geplagt werden und dazu neigen, sich häufig zu sorgen, kann es sehr helfen, aus diesem Gefühl der Hilflosigkeit und dem Leben ausgeliefert zu sein, auszubrechen. Das kannst du erreichen, wenn du in vielen kleinen Schritten dein Leben wieder selbst in die Hand nimmst und dich frei entfaltest.
Mit der Zeit lernst du, dass du sehr wohl Einfluss nehmen kannst. Du beginnst, dein Leben und dein Umfeld selbst zu gestalten und bist nicht länger ein Spielball von drohendem Unheil. In dem Maße wie du lernst, dein Leben Stück für Stück selbstbestimmt in die Hand zu nehmen, wird deine Angst verschwinden.
Du wirst das Gefühl bekommen, alles im Griff zu haben und etwas in deinem Leben bewirken zu können. Du bist in der Lage, das Ausmaß drohender Gefahren realistisch zu überschauen und kannst dein Schicksal selbst steuern, als dich von der Angst leiten zu lassen. Die Angst hat dann keine Chance mehr.